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Mein Offizier und Gentleman

Mein Offizier und Gentleman

Titel: Mein Offizier und Gentleman
Autoren: ANNE HERRIES
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zusammen, denn der unversehens Aufgetauchte war ihr fremd. Er war eindeutig ein Gentleman, einige Jahre älter als Jack oder Drew, und er hatte etwas an sich, das Lucy frösteln ließ. „Sie haben mich erschreckt, Sir. Verzeihung, Sie sind fremd hier …?“ Fragend sah Lucy ihn an.
    „Wer sind Sie?“, entgegnete der Mann in scharfem Ton. „Ha, die junge Braut, vermutlich. Ich hörte, Harcourt hat den Sprung gewagt – nun, Gnädigste, ich wünsche Ihnen viel Vergnügen mit ihm. Genießen Sie es, es wird nicht lange währen, wenn er sich nicht aus meinen Angelegenheiten heraushält!“
    Lucy ging ein paar Schritte rückwärts. Ihr war plötzlich kalt, und sie hatte eine Ahnung, dass ihnen der wunderschöne Nachmittag verdorben werden würde. Sie drehte sich auf dem Absatz um und rannte, von einer unerklärlichen Furcht erfasst, zurück zu den anderen.
    „Was ist geschehen?“, fragte Jack, denn er spürte Lucys veränderte Stimmung. „Was hat dich erschreckt?“
    „Da drüben war ein Mann. Er hat dir gedroht, Jack.“
    „Wie? Mir?“ Jack runzelte fi nster die Stirn und schickte sich an nachzusehen, blieb jedoch abrupt stehen, als er den Mann sah, der Lucy offensichtlich gefolgt war. „Verdammt! Mit dem hatten wir erst in ein paar Tagen gerechnet!“
    Als Lucys Blick zufällig auf Amelia fi el, sah sie, dass deren Gesicht kreidebleich war, und wusste sofort, wer der Fremde war und warum er diese Drohung ausgestoßen hatte.
    Jack stellte sich schützend vor Lucy, die zu Amelia getreten war und sie tröstend umschlang.
    „Keine Sorge“, fl üsterte sie der Zitternden zu. „Jack wird nicht zulassen, dass du uns fortgenommen wirst – wir alle nicht!“
    „Staunton“, sagte Jack kalt, „ich hatte Sie nicht so bald erwartet. Sie haben meinen Brief bekommen?“
    „Wegen der guten Wetterbedingungen während der Überfahrt lief das Schiff einige Tage früher als geplant in Portsmouth ein. Nein, Harcourt, ich erhielt kein Schreiben von Ihnen, erfuhr jedoch, dass ich meine Gattin hier fi nden würde.“ Wütend schaute er Amelia an. „Madam, Sie werden abreisen. Holen Sie Ihren Sohn, und schließen Sie sich mir an. Ihr Gepäck kann Ihnen nachgeschickt werden.“
    Obwohl sie heftig bebte, hob Amelia stolz den Kopf und sah ihren Peiniger an. „Ich komme nicht mit, Staunton. Ich werde nicht mehr mit Ihnen zusammenleben.“
    „Nein?“ Er starrte sie mit verengten Augen an, die boshaft glitzerten. „Sie glauben zweifellos, Madam, Ihr Bruder werde Sie schützen? Wenn Sie der Beihilfe am Ehebruch angeklagt werden wollen, Harcourt, behalten sie das Flittchen hier! Sie war schon entehrt, bevor ich sie besaß, und mir ist gleich, was sie tut und wo sie ist! Jedoch werden Sie mir auf der Stelle meinen Sohn übergeben! Er gehört rechtmäßig zu mir. Sie wird ihn niemals bekommen!“
    „Nein!“, schrie Amelia auf. „Ich werde ihn dir nicht ausliefern! Du wirst ihn quälen, wie du mich gequält hast!“ Um Unterstützung heischend sah sie ihren Bruder an.
    Staunton ging auf sie zu, blieb jedoch verunsichert stehen, als Jack, Hal und Drew ihm entschlossen den Weg abschnitten.
    „Sie mögen mich jetzt aufhalten“, knurrte er wütend. Er war ein großer Mann, der noch die Spuren einstigen guten Aussehens trug, doch nun war er teigig und aufgedunsen, mit kränklicher Hautfarbe, die von maßlosem Genuss und Völlerei zeugte. „Aber das Recht ist auf meiner Seite! Ich werde meinen Sohn bekommen, und Sie, Harcourt, werde ich zugrunde richten!“
    Den Mund zu einer harten Linie zusammengepresst, näherte Jack sich dem Mann und maß ihn verächtlich. „Tun Sie, was Sie nicht lassen können. Allerdings werden Sie es sich vielleicht anders überlegen, wenn Sie Folgendes hören: Collingwood sitzt im Kerker, angeklagt des Mordes an David Middleton. Es liegt ein schriftliches Geständnis von ihm vor, in dem er beeidet, dass Sie, Staunton – Sie allein – ihn zu diesem Mord anstifteten und ihn dafür bezahlten!“
    Staunton erbleichte, erbost musterte er Jack. „Sie halten sich für sehr gewitzt, Harcourt – nur war ich überhaupt nicht im Land, als Middleton ermordet wurde.“
    „Natürlich nicht“, entgegnete Jack ruhig. Der Gegensatz zwischen den beiden Männern konnte größer nicht sein. Der eine sehnig, kraftvoll, anziehend, von eiserner Beherrschtheit, der andere aufgequollen, mit vor Aufregung krankhaft gerötetem, fl eckigen Teint. „Dafür sorgten Sie, indem Sie die Ihnen angebotene Stellung als einstweiliger
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