Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Name ist Afra (German Edition)

Mein Name ist Afra (German Edition)

Titel: Mein Name ist Afra (German Edition)
Autoren: Angela Dopfer-Werner
Vom Netzwerk:
entlang Richtung Süden, und in einer Senke beim dritten großen Gumpen, einem tiefen Weiher, den das Wildwasser dort bildete, gabelte sich der Pfad. Wezilo trieb seinen Schecken an die Spitze der kleinen Kolonne, als die Ochsentreiber anhielten, unsicher, welchen Weg sie nehmen sollten.
    „Nach links, fahrt nach links zum Schnaitberg,“ rief er ihnen laut zu, „warum sollten wir einen beschwerlichen Weg wählen, nur um den Haslachern nicht zu begegnen! Der Welfengraf hat´s erlaubt beim letzten Gericht, daß wir ihre Pfade benützen, um zu unseren Feldern zu gelangen, und Herr Eticho hat hier wohl mehr zu sagen als der alte Sigiboto.“
    Lutold, einer der Knechte, grinste breit und lenkte seine Ochsen in die befohlene Richtung. „Wenn du dabei bist, soll´s mir recht sein, Meier, bloß alleine will ich dem alten Haslacher und seinen Söhnen auf ihrem Grund nicht unbedingt begegnen. Du weißt doch noch, wie sie den alten Poppo zugerichtet haben, als er die Schweine versehentlich durch ihr Feld laufen ließ, der Arme kann heute noch nicht wieder gerade gehen!“
    Wezilos Stimme war ernst, als er antwortete. „Die Gesetze sind für alle Menschen gleich, und das werden wir den Haslachern schon auch noch beibringen, daß die Gerichtsbarkeit in Pitengouua liegt und sie mit ihren Händeln dorthin müssen und sich dem Grafen stellen. Wo kommen wir dahin, wenn jeder eingebildete Bauer meint, selber Recht sprechen zu dürfen." 
    Aufmerksam lauschte ich beim Weitergehen den Reden der Erwachsenen, denn alles, was im Dorf und seiner Umgebung vorging, wollte ich wissen, aber als Lutold und Wezilo gar nicht mehr aufhörten, über die Leute aus Haslach zu schimpfen, wurde es mir bald langweilig und ich sprang wieder wie ein Wirbelwind zwischen dem Trupp  hin und her, voller Freude darüber, daß ich heute mit aufs Feld durfte; plauderte dort ein bißchen mit den Frauen, klatschte hier einem braven Ochsen auf die Flanke und strahlte meinen Vater an, wann immer ich ihn zu Gesicht bekam.
    Wezilo lachte ob meines Eifers, und trotzdem versuchte er, mich zu mäßigen. „Dir wird die Luft bald ausgehen, Afra,“ rief er mir im Vorbeireiten zu, „das hier ist keine Vergnügungsreise, wir sind zum Arbeiten aufgebrochen!“ Und obwohl er dabei ein strenges Gesicht machte, sah ich doch ein Lächeln in seinen Augenwinkeln und ich spürte, daß er stolz auf seine flinke, kleine Tochter war.
    Wir verstanden uns gut, mein Vater Wezilo, und ich, Afra, seine jüngste Tochter, obwohl er über meine Geburt vor acht Jahren nicht glücklich sein konnte, da er sich einen Sohn, der die lange, traditionsreiche Reihe der Meier in unserer Familie fortsetzen würde, mehr als alles andere wünschte. Außer mir hatte er nur Walburc, meine zwei Jahre ältere Schwester, sie war eher das Kind unserer Mutter Rautgund, fromm und ernsthaft wie sie, war Walburc heute lieber zu Hause geblieben, um dort ihren täglichen Pflichten nachzugehen; ein Tag auf dem Feld war unter ihrer Würde als älteste Meiertochter. „Das ist die Arbeit der Mägde, wir haben anderes zu tun,“ hatte sie mir am Vorabend geantwortet, als ich sie bedrängte, doch mitzukommen, und sie flocht ungerührt trotz meiner Bitten weiter ihr braunes Haar zu zwei langen, dicken Zöpfen und preßte ihre Lippen zu einer schmalen, mißbilligenden Linie. Walburc war sich mit ihren zehn Jahren sehr bewußt, daß unsere Eltern keine Söhne hatten und wohl auch keine mehr bekommen würden, und deshalb würde Walburcs zukünftiger Mann der Meier von Pitingow sein, wenn unser Vater tot oder zu alt für diese Aufgabe war. In den letzten Wochen hatte  Walburc sich verändert, sehr zu meinem Mißfallen; sie fand unsere bisherigen Spiele kindisch und dumm und hatte vor allem an unseren altvertrauten Spielgefährten immer etwas auszusetzen, bezeichnete sie plötzlich als Häuslerkinder und Sklavenpack und als falschen Umgang für Meiertöchter wie uns. Auf einmal ging sie jeden Tag mit unserer Mutter in die kleine Holzkirche von Pitengouua, die oberhalb des Baches auf einer geraden Anhöhe lag, um sich dort nach der Messe mit Liutbirc, der zwölfjährigen Tochter des Burgvogts, zu treffen und wichtige, sehr geheime Dinge zu besprechen, von denen mich die beiden als zu jung und unerfahren einfach ausschlossen. Das tat mir weh, weil ich an meiner älteren Schwester sehr hing, obwohl wir völlig verschieden waren, und Liutbirc konnte ich überhaupt nicht leiden, weil sie falsch war und sehr eingebildet und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher