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Mein Name ist Afra (German Edition)

Mein Name ist Afra (German Edition)

Titel: Mein Name ist Afra (German Edition)
Autoren: Angela Dopfer-Werner
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die Mutter von Wezilo, die bei uns lebte, konnte sich noch an die Zeit erinnern, als er jung und frisch war und mit Rumpold, unserem Großvater, mit Freuden in die Schlacht zog. Von diesen Geschichten aus einer guten, alten Zeit erzählte Haimo uns Kindern bereitwillig, wann immer sich Zeit dafür fand, und die wohl aufregendste von allen war der Bericht über den Kampf von unserem bairischen Herzog Arnulf gegen den deutschen König Konrad 918, bei dem es um die Unabhängigkeit der Baiern ging und in dem der König auf dem Schlachtfeld getötet wurde, diese Erzählung wollten wir immer wieder hören. Auch Rumpold, Wezilo´s Vater, wurde an diesem schrecklichen Tag schwer verletzt, und nur Haimo´s Umsicht war es zu verdanken, daß er lebend wieder nach Pitengouua zurück kam. An der Verwundung aber litt Rumpold sein Leben lang, und er starb früh, so daß sein Sohn Wezilo bereits mit 22 Jahren Meier des Dorfes wurde und die Verantwortung für viele Menschen auf ihm lastete. Durch die Geschichten von Haimeran erfuhren wir Kinder viel über die Vergangenheit unseres Dorfes, über seine Familien und Traditionen, und ich hatte das Gefühl, daß auch mein Vater gerne dabei zuhörte, wenn er sich auch immer den Anschein gab, mit irgend etwas anderem sehr beschäftigt zu sein. Eng aneinander gekuschelt saßen wir an langen Wintertagen auf der Ofenbank, Walburc, Richlint und ich, während Haimeran, das spärliche Licht des Herdfeuers nützend, gerissene Zügel und Sattelschlaufen und Maulriemen reparierte und dabei von den Helden vergangener Zeit und ihren großen Taten erzählte.
    Dieser alte Mann, der jetzt friedlich unter der schattigen Linde schlief, war mir von allen Knechten und Hörigen unseres Dorfes der Liebste, und bei den Frauen war es wohl Folchaid, die mir eben zuwinkte und einen Rechen für mich bereithielt. „Komm, Afra, wir arbeiten zusammen auf der Seite bei den Bäumen,“ rief sie, und das war mir gerade recht, denn dort war es nicht so heiß wie in der Mitte des Feldes, wo sich die anderen bereits verteilt und mit der Arbeit begonnen hatten. Wir gingen nebeneinander bis zum Ende der langen Wiese, die hölzernen Rechen geschultert, über graugrünes, strohtrockenes Gras, das die Männer schon vor Tagen mit Sensen und Sicheln gemäht hatten, und Folchaid sagte mit ihrer leisen, sanften Stimme : „Wir müssen Gott danken für die Sonne der letzten Tage, mit ihrer Hilfe bringen wir in diesem Jahr die ganze Ernte und das Futter für die Tiere trocken und sicher in die Scheunen,“ und zweifelnd sah ich sie von der Seite an, denn bei Folchaid war ich mir nie ganz sicher, ob sie meinte, was sie  sagte oder ob ein anderer, tieferer Sinn hinter ihren meist unschuldig klingenden Worten lag. Gottes Lob auszusprechen, unaufgefordert und ohne Anlaß, war sonst gar nicht ihre Art, das paßte besser zu meiner Mutter Rautgund, und Folchaid ging auch nur sonntags mit ihren Kindern zur Messe, und das war die mindeste Pflicht eines Christen. „Oder hätte ich Göttin sagen sollen?“ zwinkerte sie mir jetzt zu, und als mir ganz heiß wurde und die Röte ins Gesicht stieg, huschte ein Lächeln über ihre zarten Züge und sie drückte beruhigend meine Hand.
    Folchaid wußte, daß Richlint und ich viel Zeit bei Justina, draußen im Weinland beim alten römischen Gutshof verbrachten, und daß meine Mutter dies gar nicht gern sah, denn Justina´s Mutter war eine Sklavin aus Etrurien gewesen und hatte ihrer Tochter Worte einer fremden Sprache und ein geheimes Wissen hinterlassen, das Rautgund heidnisch nannte und von dem sie nichts hören wollte. Wir Mädchen jedoch waren fasziniert von Justina´s Erzählungen aus diesem fernen, warmen Land und von einer Sicht der Dinge, die so ganz anders war als diejenige in unserem Dorf, und wie alles Verbotene hatten unsere Besuche in dem steinernen Haus einen besonderen Reiz.
    Folchaid und ich begannen zu arbeiten, rechten das Heu in langen Bahnen zusammen und diese dann wiederum zu großen Haufen, an denen die Ochsenkarren später anhalten würden, um das gemähte Gras aufzuladen. Die Arbeit war schwer für ein Kind von acht Jahren wie mich, und schon bald schmerzten mein Rücken und meine Arme von den ungewohnten Bewegungen mit dem Rechen, und der Schweiß lief auf meiner Stirn und in meinem Nacken zusammen und zwischen meinen Schulterblättern den Rücken hinab. Immer wieder stützte ich mich auf meine hölzerne Harke, wischte mit einem Zipfel meines Kleides das Wasser vom Gesicht und
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