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Mein Leben in 80 B

Mein Leben in 80 B

Titel: Mein Leben in 80 B
Autoren: Anja Goerz
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könnten nach Berlin fahren, ein wenig bummeln und dann später bei Luigi essen gehen», schlug ich vor.
    «Och nöö, Bummeln ist scheiße-langweilig. Dann muss ich wieder rumsitzen, wenn du Kleider anprobierst, hab ich keinen Bock drauf. Ich will lieber Fahrrad fahren oder skaten.» Tom zählte heute schon mal nicht zu meinen Verbündeten.
    Toni setzte sein Es-tut-mir-so-leid-Gesicht auf und stellte seinen Kaffee ab. «Tut mir leid, Bella. Ich kann heute auch nicht. Ich muss unbedingt noch mal ins Büro. Am Montag ist das Pitching für den Porsche-Spot, da müssen wir die endgültige Fassung verabschieden. Das dauert sicher eine Weile, keine Ahnung, wann ich zurück sein werde. Aber ruf doch Alma an, vielleicht kann die ein Auge auf Tom und Hanna haben, und du machst dir allein einen schönen Tag in der Stadt.» Er lächelte mich an und versuchte, so etwas wie Bedauern auf sein Gesicht zu zaubern.
    Ich wusste, wie sehr Toni seinen Beruf liebte. Und wenn es stressig war, wenn von jetzt auf gleich neue und einzigartige Ideen für Werbespots oder Zeitungsanzeigen gesucht wurden, wenn es darum ging, Konkurrenten auszustechen, dann war er ganz in seinem Element. Am Wochenende ins Büro zu fahren war für ihn doppelt so schön, weil dann keine Telefonate oder ungebetenen Besucher den Ideenfluss störten.
    Ich nahm mir etwas lustlos noch ein Brötchen aus dem Korb. «Ach nein. Alleine mag ich auch nicht.»
    «Vielleicht dauert es ja bei mir doch nicht so lange, und wir können heute Abend noch schön etwas zusammen essen?», machte Toni einen weiteren Versuch in Sachen Beschäftigungstherapie. «Ich könnte Sushi mitbringen.»
    «Au ja, Schuschi, ich nehm die mit ohne das scharfe Weiße und mit Gurken drin und viele.»
    «Tom, Sssuhhschieee», versuchte Toni es ganz langsam.
    «Ja, sag ich doch, Mensch. Kann ich auch die kleinen Frühlingsrollen mit Hähnchen und der roten scharfen Soße haben?»
    «Klar, wenn Mami auch einverstanden ist?»
    «Ja, Mami ist auch einverstanden.» Mir war jetzt schon klar, worauf es hinauslaufen würde. Toni fuhr ins Büro, rief irgendwann an, dass es doch später werden könnte, rief dann noch einmal an, um zu sagen, dass es tatsächlich sehr spät werden würde, und am Ende saß ich mit den Kindern vor einem Disney-Zeichentrickfilm und futterte mit ihnen Pizza vom Lieferservice. Wäre nicht das erste Mal. Aber ich versuchte, Tom nicht den Spaß zu verderben. «Lass uns doch erst einmal abwarten, wie es bei euch in der Agentur läuft. Fährst du jetzt gleich los?»
    Toni stand auf, stellte seinen Teller und den Kaffeebecher ins Spülbecken und nickte. «Ja, je eher ich anfange, desto eher bin ich vielleicht wieder zu Hause.» Er strich Tom über den roten Schopf, stellte sich hinter mich und küsste meinen Nacken.
    «Iiihhgitti, Elternsex. Muss das sein, ich esse noch!» Tom machte Würgegeräusche und verdrehte genervt die Augen. Nicht einmal Hanna – geschweige denn sein Papa, Opi oder Sönke – durfte sich in meinen Arm kuscheln, ohne dass er dabei war. Aber da Hanna ihre Kuschelzeit mit den Eltern inzwischen weitgehend für beendet erklärt hatte und nun stramm auf die Kuschelzeit mit Jungs zusteuerte, drohte von der Seite für ihn kaum noch Gefahr.
    Toni trat einen Schritt zurück, gab mir einen Kuss auf den Scheitel, einen auf die Wange und warf eine Kusshand in den Raum. «Bis später, Amore. Ich hab dich lieb.» Ich hörte, wie er im Hausflur ein «Ciao, Hanna, bis heute Abend» die Treppe hinaufrief, ohne eine Antwort zu bekommen. Wenige Sekunden später startete er knatternd seinen Porsche.
    Gut, also ein Tag zu Hause mit den Kindern.
    «Ich geh dann mal raus, Mami, ich fahr mit dem Rad durch die Gegend, vielleicht ist Matthie zu Hause, ist das okay für dich?» Tom versuchte, sich mit einer Papierserviette die Nutellareste von den Fingern und aus dem Gesicht zu wischen. So viel zum Thema ein Tag mit den Kindern.
    «Zuerst putzt du dir die Zähne und wäschst dir gründlich Gesicht und Hände. Danach kannst du gern zu Matthias fahren. Aber ruf mich bitte an, wenn du zum Spielen dort bleibst, damit ich dich nicht suchen muss, okay? Und zieh dir Handschuhe an und nimm eine Mütze mit, es ist kalt draußen!»
    Tom warf die zerknautschte Serviette auf den Tisch und schob geräuschvoll seinen Stuhl zurück. Auf meiner Höhe stoppte er kurz, küsste mich mit seiner Schokoschnute auf die Wange und rief: «Ich hab dich so lieb, Mami», bevor er nach oben verschwand.
    Ich machte mich
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