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Mein Leben in 80 B

Mein Leben in 80 B

Titel: Mein Leben in 80 B
Autoren: Anja Goerz
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sah und mich weiter über seinen Rotschopf freute, mit ihm aus einem großen Wasserglas Rotwein trank und mich von ihm mit Fertig-Nudelsalat füttern ließ, verliebte ich mich in ihn. Später behauptete Antonio, er hätte schon als ich zur Tür hereinkam gewusst, dass ich die Frau seines Lebens sei. Diejenige, die er heiraten und mit der er Kinder haben würde. Genau so war es dann ja auch gekommen. Und es gab kaum einen Tag, an dem mir das leidtat.
     
    Als ich nach Hause kam, parkte ich meinen Wagen in der Garage und ließ die Ware im Kofferraum. Da morgen früh, am Sonnabend, keine Kinder in die Schule gefahren werden mussten, konnte ich die Wäsche in aller Ruhe am Morgen ausräumen.
    In der Küche schenkte ich mir ein Glas aus der offenen Weinflasche ein, die auf der Anrichte stand, und schlich leise die Treppe nach oben, um noch einmal nach den Kindern zu sehen.
    Hanna schlief auf dem Rücken. Aus den Kopfhörern des MP 3 -Players, die ihr aus den Ohren gerutscht waren, tönte leise Musik. Wahrscheinlich
Die Atzen
oder
Tokio Hotel
oder irgendetwas in dieser Richtung. Die Pferdeposter an ihren Zimmerwänden waren längst gegen Bilder britischer Bands ausgetauscht worden – bei denen sich nur selten Schnittpunkte zu meinen Vorlieben in Sachen Musik fanden – und gegen ein großes Foto von diesem Jungen, der in einem Film einen sexy Vampir spielte. Ich stellte mein Weinglas ab, schaltete den Player aus, legte ihn auf Hannas Nachtschrank und nahm beim Verlassen des Zimmers die Schmutzwäsche mit hinaus, die zusammengeknüllt auf dem Fußboden vor dem Bett lag.
    Im Zimmer nebenan musste ich aufpassen, nicht bei jedem Schritt auf ein kleines Lego
Star Wars
-Männchen zu treten. Die Figuren lieferten sich Schlachten zwischen
Pokemon
-Karten und
Harry Potter
-Büchern. Tom hatte sich wieder einmal komplett die Decke von den Beinen gestrampelt und lag auf dem Bauch, beide Hände unter dem Gesicht, und schnarchte wie der Weihnachtsmann am ersten Feiertag. Ich deckte ihn zu, gab ihm einen Kuss auf die Haare und sog seinen wunderbaren Duft ein: eine Mischung aus Kuchenteig und Kindershampoo.
    Schließlich kam ich in unser Schafzimmer, einen großen Raum mit einem Doppelfenster und einer Glastür zu einem kleinen Balkon in Richtung Garten. Statt eines wuchtigen Schranks hatten wir uns für einen begehbaren Kleiderschrank entschieden und links und rechts davon wandhohe Spiegel mit antik wirkenden Rahmen anbringen lassen. Auf dem Boden verströmten weiße Kugeln unterschiedlicher Größen warmes Licht. In unserem hohen amerikanischen Bett schlief Toni wie eine große Kopie seines Sohnes. Die Bettdecke lag am Fußende, und er hatte beide Hände unter sein Gesicht geschoben. Die einzigen Unterschiede zwischen Vater und Sohn waren die Lautstärke der Schnarchgeräusche und die Motive auf den Schlafanzügen. Tom schlief mit Spiderman auf dem Bauch, Toni mit dem Bild von SpongeBobs Freund Patrick. Wann hatte er eigentlich damit angefangen, diese Nicki-Zweiteiler zu tragen und nicht mehr nackt ins Bett zu steigen? Ich nahm meinen Wein mit ins angrenzende Badezimmer, in dem es durch die Fußbodenheizung immer schön warm und wegen der dunkelbraunen Dielen sehr behaglich war, um mich dort auszuziehen und abzuschminken.

[zur Inhaltsübersicht]
    2. Kapitel
    «Ey, Mama, und weißt du, was dann passiert ist?» Tom schaute mich mit weit aufgerissenen Augen an.
    Wir saßen am Esstisch, der an einer Seite an die Kochinsel angrenzte und Platz für sechs Personen bot. Die weiß glänzenden Küchenschränke hatte ich beim Bau des Hauses ausgesucht, weil mir irgendjemand erzählt hatte, je glänzender die Oberflächen, desto weniger müsste ich putzen. Der totale Quatsch. Wenn meine Kinder sich selber Brote schmierten, konnte ich an allen Türen und Handgriffen den Weg der Herstellung verfolgen. Egal, zwei- bis dreimal in der Woche kam Alma, unsere Perle. Toni hatte während meiner Schwangerschaft mit Hanna darauf bestanden, Hilfe ins Haus zu holen, und Alma von einem begeisterten Freund «übernommen», der nach Amerika ausgewandert war. Alma war bei uns angetreten und hatte vom ersten Tag an das Zepter in der Hand gehalten – sie kümmerte sich um alles: Hausputz, Wäsche, erledigte den Einkauf, als ich zu unförmig dafür war, kochte, als ich Hanna noch stillte, später hütete sie die Kinder, wenn Toni und ich mal wieder etwas allein unternehmen wollten. Und wenn im Garten etwas zu tun war, brachte Alma ihren Mann Sönke mit. Beide
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