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Mein Jakobsweg

Mein Jakobsweg

Titel: Mein Jakobsweg
Autoren: Elke Sauer
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vom anderen Ende eines langen Flurs aus den Duschräumen holen muss, hatte ich noch nirgends gesehen.
    So einfach, wie mir die junge Dame an der Rezeption versichert hat, ist es nicht, in die Stadt zu kommen. Immerhin finde ich so ganz im Vorübergehen dann doch noch diese klösterliche Unterkunft, in die ich eigentlich wollte. In glücklicher Erinnerung gehe ich hinein. Doch dort hat sich alles verschlechtert, sogar der Innenhof fehlt. Sosehr ich diese Schlafmöglichkeit damals gelobt habe, jetzt würde ich sie nicht mehr empfehlen. Zumindest sollte man sich vor diesem Kellerraum hüten, vor dessen Tür Waschmaschinen und Trockner rauschen.
    Im heiligen Jahr war der Domplatz voller Menschen. Jetzt sehe ich kaum mehr als zehn Pilger. La Catedral de León ist das schönste gotische Bauwerk Spaniens und eine der schönsten Kathedralen der Welt. Als ich um sie herumgehe, denke ich gleich wieder an Notre-Dame. Nicht unbedingt nur wegen der Gotik: Es ist das Gesamtwerk, das so zart und dennoch unverrückbar fest auf der Erde steht. In ihrem Innern reiht sich Fenster an Fenster, eines farbenprächtiger als das andere. Bis zu zwölf Meter hoch sind diese Gemälde aus Glas; mit ihren gewaltigen Ausmaßen scheinen sie das Gewölbe der Kathedrale ins Unendliche zu erweitern. Ich drehe mich im bunten Licht, und es ist, als ob die Kathedrale ein einziges großes Fenster wäre.
    Vor einem Café setze ich mich zu einer Radpilgerin. Sie heißt Karin, kommt aus Freiburg und ist mir von Anfang an sympathisch. Ihre fröhliche und positive Stimmung steckt einen förmlich an. Sie ist jung, vielleicht 30, nicht ganz schlank und keine Radsportlerin im eigentlichen Sinne. Sie habe sich einfach eines Tages ein Rad gekauft und sei losgefahren. Inzwischen ist sie durch ganz Frankreich gefahren und hat ihr Rad über die Pyrenäen geschoben.
    Weißt du, wie das ist, ein Rad steil bergauf zu schieben, fragt sie mich.
    Nein. Diese Erfahrung habe ich noch nicht gemacht. Außer einmal, da bin ich im Weserbergland gewesen, erinnere ich mich.
    Anfangs, erzählt Karin, habe sie beinahe jeden Berg geschoben, so ungeübt war sie. Jetzt ist sie bei guter Kondition und fährt mehr als 100 Kilometer am Tag. In nur drei Tagen kann sie in Santiago sein!
    Es war, beschreibt sie ihre Gründe für den spontanen Aufbruch, an der Zeit, mich zu bewegen und etwas zu tun. Nur für mich ganz allein. Körperlich wie auch geistig-seelisch.
    Besser könnte Karin das Bestreben, zu pilgern, nicht ausdrücken, das auch mich und so viele andere Menschen bewegt.
     

Von León nach Astorga
     
     
    Auch die Pause gehört zum Rhythmus.
    Stefan Zweig
     
    I ch liebe Astorga. Frühmorgens bin ich mit dem Bus von León gekommen; in der albergue wähle ich das Bett, in dem ich schon geschlafen habe. Das sei ein gutes Omen, meint der hospitalero, ein junger Mann aus Deutschland. Es passiert schon mal, dass Pilger oder Pilgerinnen einfach an einem Ort hängen bleiben und dort ihre Hilfe anbieten. Nicht selten arbeiten junge Männer aus Deutschland auch im Rahmen des Zivildienstes in einer Pilgerunterkunft.
    In dieser Herberge ist es auch diesmal wieder sehr nett. Sie bietet viel Komfort und liegt in einer ruhigen Gasse, nur wenige Minuten von der Kathedrale entfernt. An diesem Tag kommt ein amerikanisches Ehepaar mit zwei Söhnen, acht und zehn Jahre alt vielleicht. Diese Kinder rühren mich sehr: Wie sehr sie sich einfügen, wie wunderbar sie sich benehmen hier in diesem für sie ungewohnten Rahmen. Seit Pamplona sind sie unterwegs. Jeder der Jungen hat einen eigenen Rucksack und ist verantwortlich für alles, was darinnen ist. Am Abend helfen sie den Eltern beim Kochen.
    Gleichgültig, wie sich die Zukunft dieser Jungen gestalten wird: Diese Pilgerrreise gemeinsam mit ihren Eltern wird ihnen Kraft geben. Dieses Erlebnis wird sie wissen lassen, dass es noch etwas anderes gibt, etwas, das wichtiger ist als der tägliche Stress, in den wir uns nur allzugern einbinden lassen. Ich bin beeindruckt von den Eltern, die ihren Kindern diese Möglichkeit bieten.
    Ich selbst habe auf dieser zweiten Reise etwas, das mir den Weg leichter macht: Peter, mein lieber Peter! Jeden Tag telefoniere ich mit ihm. Das Handy ist dann doch bequemer als diese andauernd kaputten Telefonzellen.
    Inzwischen hat Peter mir die Daten für meinen Rückflug durchgegeben. Es war wohl nicht leicht, überhaupt noch einen Termin zu finden. Alle Flüge ab Santiago waren ausgebucht, schon über Wochen.
    Zehn Tage
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