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Mein Jakobsweg

Mein Jakobsweg

Titel: Mein Jakobsweg
Autoren: Elke Sauer
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blühen am Wegesrand; in Sträuchern und Hecken füttern Vögel ihre Jungen. Hin und wieder sehe ich eine Ansammlung von Steinmännchen. Beim Gehen entpuppen sich die sanften Hügel aber als sehr unbequeme Steigungen, weil sie sich so in die Länge ziehen.
    Bis zum Nachmittag gehe ich zwischen Weinbergen unter heißer Sonne, bei strahlend blauem Himmel. Schon seit einer ganzen Weile sehe ich den Pilger mit dem Esel vor mir; auf einem geraden Wegstück komme ich ihm sogar etwas näher.
    Bei dem Abzweig, an dem er gerade vorbeigeht, möchte ich den Pilgerweg verlassen, um in Ventosa zu übernachten. Zwar hat die Herberge nur 26 Betten, aber in diesem kleinen Weinort etwas abseits vom Weg wird wohl auch ein Bett für mich sein. Später bin ich froh, dort hingegangen zu sein. Denn wie alle kleinen Herbergen in diesem wunderbaren Land des Rioja ist sie urgemütlich und sehr familiär. Ganz spontan rufe ich, so laut ich kann, unaalbergue, und weise auf diesen linken Abzweig.
    Er winkt, dreht seinen Esel und geht nach links. Als auch ich endlich oben in dem Ort ankomme - diese Herberge ist mal wieder am höchsten Punkt einer ungeheuer steilen Straße -, nimmt er gerade dem Esel die schwere Last vom Rücken. Nun darf das Tier auf eine wunderbar grüne Wiese, und der Pilger hat ein richtiges Bett, wenigstens für diese Nacht.
    Ich würde mich gern mit ihm unterhalten. Aber er spricht ausschließlich eine Sprache, welche ich noch nie gehört habe.
     

Von Ventosa nach Azofra
     
     
    Schweigende Düfte der Gräserfülle
    Sommerzeit fließend wächst trägt reifend träumende Farben
    Wilma Kürschner
     
    T rotz der Hitze war das Klima gestern nach dem Gewitter sehr angenehm. Ohne größere Probleme bin ich über 20 Kilometer gegangen.
    Aber jetzt ist es schon wieder viel zu warm. Ich habe einfach das Pech, dass ich in eine Hitzeperiode geraten bin. Elke, mucho calor, höre ich in Gedanken.
    Auch ist der Anstieg zum Pass der Steinmännchen, der vor uns liegen soll, zwar nicht sehr steil, aber durch seine quälende Länge geht er sehr in die Beine.
    Ein Pilger aber hält mit mir Schritt. Er ist nicht ganz gesund und geht deshalb so langsam.
    Ursprünglich ist er Westfale, hat aber nach Österreich geheiratet. Das finde ich ganz toll. In Österreich zu leben, muss wunderbar sein.
    Ganz so einfach sei das nicht, erwidert er, meine Heimat bleibt Westfalen. Da bin ich aufgewachsen, und da sind meine Eltern beerdigt.
    Ich pflichte ihm bei, denn ich weiß, wovon er spricht. Schließlich habe auch ich meine Heimat verlassen: von Wolfsburg ins Ruhrgebiet. Mein Gott, wie sehr habe ich anfangs unter Heimweh gelitten! Gleichgültig, wie wohl wir uns in unserer Wahlheimat fühlen, die Sehnsucht nach der alten Heimat bleibt. Obwohl wir dort, nüchtern betrachtet, gar keinen Anschluss mehr finden würden und erst recht nicht das Glück, das wir glauben verloren zu haben.
    Tatsächlich stehen Hunderte von Steinmännchen Spalier, als wir uns der Bergkuppe nähern. Endlich oben angekommen, haben sich all die Mühen gelohnt. Es ist traumhaft schön hier oben. Über viele kleine Hügel erstrecken sich die Weinreben. Der Himmel ist von einem Blau, das es wohl sonst nirgends gibt. Wie Gold in der Sonne schimmern die Getreidefelder, umrahmt von tiefem Grün. Ab und an sieht man ein kleines Dorf, dicht an einem Hügel, mit dem Kirchturm als höchstem Punkt. Während ich ruhe, um wieder zu Kräften zu kommen, ist mein Mitpilger bereits gegangen.
    Bis Nájera komme ich gut voran. Vorbei an den Ausgrabungen eines Pilgerhospitals aus dem zwölften Jahrhundert gehe ich durch schmale Straßen bis zu einem Flussufer, wo ich mich auf Steinen niederlasse. Kleine weiße Blüten schwimmen auf dem Wasser. Es sind so viele, dass sie den Fluss wie ein großer weißer Teppich bedecken. Eine leichte Strömung bringt die Blüten in ständige Bewegung. Das sieht ganz entzückend aus. So etwas habe ich noch nie gesehen.
    In das berühmte Kloster gelangt man nur zu festen Besichtigungszeiten. So gehe ich gleich weiter und quäle mich wieder einmal einen steilen Berg hinauf.
    Als ich oben bin, kommt mir wie aus heiterem Himmel ein heißer Luftstrom entgegen. Ein föhn- oder mistralähnlicher Wind fegt über die Weinberge und wirbelt den Sand unter meinen Füßen auf. Je näher ich Azofra komme, desto stärker wird der Wind und desto trockener die Luft. Mein Wasser teile ich in kleine Schlucke ein: Es muss reichen bis zur Stadt!
    Im Dunst von Sand und Hitze verschwimmt
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