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Mein Jakobsweg

Mein Jakobsweg

Titel: Mein Jakobsweg
Autoren: Elke Sauer
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der Horizont zu einer milchigen Flüssigkeit. Sogar die nahen Kirchtürme verlieren ihre Konturen. Ich habe das Gefühl, als käme ich keinen Schritt voran, ja, als würde sich die Stadt von mir entfernen. Aber ich lasse nicht nach, ganz im Sinne des alten Pilgergrußes: Ultreia! Immer vorwärts!
    Wäre ich doch nur schon raus aus diesem Wind! Ich sehe, dass selbst kleine Gemüsegärten durch hohe Mauern und Lattenwände vor diesen Stürmen geschützt werden, und suche fieberhaft die Wegzeichen zur Herberge.
    Dann endlich stehe ich vor dem Tor. Erleichtert drücke ich die Klinke nieder und komme in einen Innenhof, der von hohen Mauern umringt ist.
    Kein Wind zerrt mehr an mir. Erst mal in Ruhe durchatmen; ich rücke mir einen Stuhl in den Schatten.
    Nach einer Weile melde ich mich an und begegne einer ausgesprochen liebenswürdigen hospitalera. Ihre freundliche Begrüßung erfüllt mich als peregrina mit einem tiefen Gefühl der Dankbarkeit. Ich bin dankbar für diese Herberge und für diesen Weg - und für mein Leben.
    Zweibettzimmer gibt es hier, wie damals in Cacabelos. Meine Kammer teile ich mit einer Französin, etwas jünger als ich. Eilig ziehe ich die versandeten Kleider aus. Zu meiner Freude rieselt in der Dusche richtig warmes Wasser auf mich herab.
    Dies ist eine Unterkunft zum Wohlfühlen. Sie ist mit allem ausgestattet, was das Pilgerherz begehrt. Sogar das Geschirr ist richtig sauber, sodass ich mir ohne Bedenken einen Tee aufbrühen kann. Zum Essen setze ich mich mit zwei Pilgern an den Tisch.
    Beide sind direkt vor ihrer Haustür losgegangen. René, ein junger Schweizer, ist über Genf und Le Puy gepilgert. Thomas aus Köln ist über Aachen, Paris und Bordeaux gekommen. Sie sprechen von der Schönheit der Landschaften und von einsamen Wegen, auf denen sie zuweilen einen ganzen Tag lang nicht einem einzigen Menschen begegnet sind.
    Thomas ist ein begeisterter Erzähler; gespannt höre ich ihm zu. Gleich nachdem er in Rente gegangen ist, hat er sich diesen Lebenstraum erfüllt. Dagegen wirkt René etwas verloren und spricht von Problemen in der Ehe. Eines Tages habe er diese ständigen Streitereien nicht mehr aushalten können und sei ohne jede Vorbereitung einfach nur weggegangen. Im Moment wisse er nicht, wie sich dieser Streit noch entwickeln werde. Aber immerhin könnten sie sich jetzt, während der Telefonate, wenigstens einigermaßen vernünftig unterhalten. Möge dieser Pilgerweg ihm helfen, seine Lebenslinie neu zu finden!
    Irgendwann in der Nacht hört der Sturm auf und damit auch das lästige Klappern der Bretter, die als Schutz vor diesen Stürmen außen vor den Fenstern angebracht sind. Zusätzliche Bretter waren sogar auf den hohen Mauern und direkt vor der Terrasse befestigt. Wer hier bei normalem Wetter ankommt, wird sich sicher fragen, weshalb ausgerechnet diese Herberge mit Brettern vernagelt ist.
     

Von Azofra nach Santo Domingo de la Calzada
     
     
    Nimm dir Zeit zu träumen,
    es ist der Weg zu den Sternen.
    Aus Irland
    N ur 15 Kilometer sind es von Azofra bis Santo Domingo. Gerade bin ich dabei, einen Anstieg zu bewältigen, der wieder einmal sanft beginnt, dann aber kein Ende nehmen will und immer steiler wird, als plötzlich Beate neben mir ist.
    Buen Camino, sagt sie, ist das nicht ein herrlicher Tag?
    Ja, jeder Tag ist schön, bestätige ich und freue mich, ihr noch einmal begegnet zu sein.
    Ich bin noch gut in der Zeit, sagt sie, wenn ich heute bis Belorado komme...
    Beate, übernimm dich nicht, das sind 40 Kilometer.
    So viel sei sie gestern auch gegangen. Bis Frómista wolle sie noch, um dann im nächsten Jahr bis Santiago zu pilgern. Ich muss im Rhythmus bleiben, meint sie.
    Buen Camino, viel Glück, Beate. Grüß deine Freundinnen, rufe ich ihr noch nach.
    Ein letztes Winken vor einer Biegung, und dann ist sie fort. Mehrfach denke ich, ich hätte sie um ihre Adresse bitten sollen. Aber vielleicht sind wir ja im nächsten Jahr zur gleichen Zeit in Santiago, sollte ich bis dahin gesund bleiben.
    Oben auf der Bergkuppe ist die Erde weit aufgerissen. Der Bau eines Golfplatzes nimmt dem kleinen Dorf Cirueña die Ruhe und Abgeschiedenheit von Jahrhunderten. Aber noch kosten mein Tee, etwas Tortilla und ein Kuchen nur drei Euro.
    Die letzten fünf Kilometer geht es nur bergab und dann in der Ebene weiter auf einem Staubweg. Aus der Ferne läuten die Mittagsglocken. Ist es wirklich schon so spät?
    Ich bin die Erste in der Herberge. Schnell habe ich geduscht und gegessen und
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