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Mein Jakobsweg

Mein Jakobsweg

Titel: Mein Jakobsweg
Autoren: Elke Sauer
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liege nun zufrieden auf meinem Bett. Durch das geöffnete Fenster sehe ich direkt in den tiefblauen Himmel, ganz selten fliegt eine weiße Wolke vorbei. Zischend jagen Schwalben durch die Lüfte, ich weiß nicht, wie viele.
    In diesen ersten Pilgertagen habe ich viel erreicht. Ich bin oben in San Juan de la Pena gewesen, bin eingetaucht in die Mystik der Eunate und habe die ergreifend schöne Landschaft des Rioja durchwandert. Bin durch einen riesigen Garten voller Wein gegangen. Unter stetiger Sonne, die dem Wein die Reife gibt, mir aber stets zu heiß war. Zwischen den Hügeln, dem tiefen Grün der Reben auf dunkler Erde, den kleinen Weindörfern und dieser weiten klaren Sicht, wie ich sie sonst nirgendwo erlebt habe. Ich habe gnadenloser Hitze getrotzt, und einmal war mein Wasser zu früh alle. Wohl war ich oft erschöpft. Aber ich bin gesund geblieben. Nun ist mein Pilgerweg beinahe vollkommen. Ich bin gegangen, was ich auf meiner ersten Pilgerreise versäumt habe, weil ich damals Angst hatte, der ganze Weg würde zu lang, zu schwer für mich.
    In Santo Domingo, meinem »kleinen Ziel«, bin ich jetzt angekommen. Nun überlege ich, wie ich mein Fortkommen gestalte. Zu meinem »großen Ziel« Santiago. Um noch einmal meine Arme auf die Schultern des heiligen Apostels Jakobus legen zu dürfen.
    Diese Stadt hat einen ganz besonderen Charme; man könnte meinen, in einem Kurort zu sein. In starkem Kontrast dazu steht die schaurige Legende aus dem grausamen Mittelalter, für die Santo Domingo de la Calzada berühmt ist. Ein junger Pilger wurde auf einen bloßen, noch dazu falschen Verdacht hin aufgehängt. Durch die wundersame Hilfe des heiligen Domingo überlebte er. Der unerbittliche Richter saß, als ihm dies berichtet wurde, gerade am Mittagstisch und höhnte, der Junge sei wohl so lebendig wie die beiden Hühnchen vor ihm auf dem Teller. Daraufhin flogen die gebratenen Hühner davon.
    Auf diese Geschichte geht der Brauch zurück, dass in einem Käfig in der Kathedrale von Santo Domingo ein weißer Hahn und eine weiße Henne gehalten werden. Jede Woche werden die Tiere ausgewechselt.
    Es heißt, wenn der Hahn siebenmal in der Kathedrale kräht, soll das dem Pilger Glück bringen. Als ich die Kathedrale besuche, kräht der Hahn kein einziges Mal, obwohl wir so viele Pilger sind. In ihrer Unterkunft, auf dem Gelände unserer Herberge, höre ich sie jedoch oft krähen. Hier werden sie in sehr sauberen Ausläufen und Käfigen gehalten, um dann im Schichtdienst mit ihrem blütenweißen Federkleid in der Kathedrale zu stehen.
    Der heilige Domingo de Viloria, dem die Stadt ihren Namen verdankt, war ein Einsiedler, der dort im elften Jahrhundert über den Rio Oja mit seinen vielen Nebenarmen eine Brücke bauen ließ. Unter calzada versteht man die befestigte Straße. Wenn diese oft bereits von den Römern angelegten Straßen durch einen Ort hindurchführten, war das ein Hinweis auf den Reichtum der jeweiligen Ansiedlung. Dem entgegen war der camino ein unbefestigter Weg, der Staubweg also, auf dem wir Pilger am liebsten wandern. Auch er findet sich häufig in Ortsnamen. »Hornillos del Camino« wäre beispielsweise so ein Ort, der sich in früherer Zeit mit eben diesem Staubweg als Ortsdurchgang begnügen musste.
     

Von Santo Domingo de la Calzada nach León
     
     
    Alle Reisen haben eine heimliche Bestimmung,
    die der Reisende nicht ahnt.
    Martin Buber
     
    D ie Norwegerin ist an diesem Morgen die Erste; eine große hagere Frau, weit über 70 Jahre. Es ist erst kurz nach vier. Ich kann mir Zeit lassen, denn ich werde mit dem Bus fahren. Bis Belorado könnte ich zwar sicherlich gehen, nicht aber durch die Montes de Oca, die danach zu bewältigen sind. Ab welchem Ort ich wieder ernsthaft pilgern werde, will ich mehr oder weniger dem Zufall überlassen.
    Wie sich eine Gruppe von so unterschiedlichen Pilgern auf den Tag vorbereitet, ist schon sehr interessant. Die Ersten, allen voran die Norwegerin, sind, kaum haben sie den Rucksack gepackt, ohne Frühstück gleich weg - so wie ich das auch immer mache.
    Die Franzosen hingegen frühstücken erst mal ausgiebig.
    Dann nimmt eine Radfahrergruppe den Tisch in Beschlag. Sie essen schnell und zügig Unmengen, um dann wiederum viele Kilometer auf dem über weite Strecken unwegsamen Camino fahren zu können.
    Gegen neun Uhr sind dann nur noch zwei junge deutsche Frauen da, die sehr weit gehen wollen, aber nur langsam in die Gänge kommen.
    Als ich ins Freie trete, ist es schon
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