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Hexengewitter

Hexengewitter

Titel: Hexengewitter
Autoren: Horst Hoffmann
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Prolog
    Im Zeichen der Zoud, im dritten Viertel des Zaubermondes, ergingen die Worte der Zaem an alle ihre Kriegerinnen, Hexen und Heerführerinnen:
    »Zieht gen Süden und nehmt den Hexenstern! Die Stunde des Kampfes ist gekommen! Rettet Vanga! Stürmt den Hexenstern!«
    Und sie alle folgten dem Ruf der Zaubermutter einhunderttausend Amazonen in tausend Luft- und tausend Seeschiffen. Sie, die sie sich vor den Küsten und in den Schluchten des Landes Ganzak gesammelt hatten, stachen in See oder erhoben sich in ihren Ballons in die Lüfte. Die gewaltigste Streitmacht seit den Tagen des abtrünnigen Reiches Singara, ja vielleicht gar seit Bestehen der Welt, setzte sich in Marsch und schickte sich an, die vermeintlichen Feinde Vangas in einem Ansturm ohnegleichen hinwegzufegen. Von einem Horizont bis zum anderen blähten sich ihre Segel in den magischen Winden, durchpflügten die Kiele der Schiffe das endlose Meer, verdunkelten die Ballons das Firmament.
    Die Flotte kam gut voran, schob sich immer weiter nach Süden und trotzte allen Widernissen der Elemente und den ersten zaghaften Versuchen der Gegner, ihren Vormarsch noch weit vor dem Hexenstern aufzuhalten. Die Schlachtgesänge der Kriegerinnen kündeten den Winden und der See vom bevorstehenden Kampf. Das von der Zaem entfachte Feuer brannte in ihren Herzen.
    Dann aber erschien ihnen die Zaubermutter erneut und spornte zu noch größerer Eile an, denn die gegnerischen Zaubermütter, an ihrer Spitze die Zahda, schickten sich an, ihre ganze Macht in die Waagschale zu werfen, um die Flotte weit vor ihrem Ziel zu zerschlagen und jene vor dem Zugriff der Zaem zu bewahren, die das Verderben in sich trug - Fronja, die Tochter des Kometen und Erste Frau von Vanga. Doch ihrer Macht ebenbürtig war die der Zaem, der Zoud, der Zanni, der Ziole und der Zytha, und mochten sich auch die Kräfte der Zaubermütter die Waage halten, so hatten die Zahda, die Zeboa, die Zonda und die Zumbel dem Aufgebot der Zaem an Kriegerinnen nichts annähernd Vergleichbares entgegenzusetzen.
    So ruhten ihre Hoffnungen auf jenem Mann, der den Weg von Gorgan, der Nordwelt, durch die Schattenzone nach Vanga gefunden hatte, der von einer unstillbaren Liebe zu Fronja erfüllt war und kein Schwanken kannte im Glauben an sie.
    Doch Mythor, der Sohn des Kometen, saß fest auf einer öden, längst von der Flotte passierten Insel, verzweifelt und ohne Aussicht, jenen noch zuvorzukommen, die nur ein Ziel kannten - Fronjas Tod.

1.
    Kalisse wich zurück, blankes Entsetzen in ihren Augen, den Mund weit aufgerissen. Der Anblick des Drachen war ihr so in die Glieder gefahren, daß sie Mühe hatte, das Schwert zu halten. Ihre andere, eiserne Hand zuckte abwehrend erhoben in der Luft.
    »Nein!« brachte sie krächzend hervor, während sie einen weiteren Schritt zurück machte und dabei einen Stein übersah. Sie stolperte, das Schwert fiel klirrend auf den felsigen Strand.
    Der Drache brüllte seinen Triumph in die Winde, war mit einem mächtigen Satz über der Amazone und beugte sich zu ihr hinab. Mit einer der schrecklichen Pranken packte er sie um die Hüften, hob sie in schwindelnde Höhen und brachte sie ganz nahe vor seine tellergroßen Augen.
    Kalisse zappelte und schrie. Ihre Fäuste trommelten auf des Drachen Nase, aus der heiße Rauchwolken stiegen. Das alles half ihr nicht. Der Drache betrachtete sie für eine Weile. Seine Knitterohren legten sich nach vorne, die wenigen Barthaare richteten sich auf. Groß und muskelbepackt war sein purpurner, mit Haarbüscheln und gelbbraunen Schecken übersäter Körper. Sein mächtiger Schädel überragte selbst die höchsten Klippen.
    »Was fange ich mit dir an, Weib?« sprach der Drache. »Röste ich dich in meinem Feuer? Werfe ich dich ins Meer, oder stecke ich dich einfach in meine Beuteltasche?«
    Denn er war ein Beuteldrache, der größte und furchtbarste Beuteldrache, den diese Welt je gesehen hatte. Und alt war er, einer der letzten des Geschlechts mächtiger Drachen, die einst die Lande und die Wasser beherrschten. Auf dem Grund des Meeres, dort, wo es am tiefsten war, hatte er in seinem Ewigkeiten währenden Schlaf gelegen, bis er den Ruf jenes so arg geknechteten Wesens vernahm, das ihm zwar an Gestalt ähnlich, doch im Vergleich zu ihm ein Winzling war.
    »Du schweigst, Weib?« brüllte der Drache, daß sein heißer Atem der Amazone fast Rüstung und Kleider vom Leibe riß. »Du zitterst? Du, die nie müde wurde, meinen geliebten Sohn Gerrek zu verhöhnen,
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