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Stolz und Verfuehrung

Titel: Stolz und Verfuehrung
Autoren: Stephanie Laurens
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1
    Oktober 1825 Colyton, Devon
    »Es ist zum Haareraufen. Obwohl auch das kein bisschen helfen würde.«
    Das fragliche dunkle Haar schmiegte sich in widerspenstigen Locken elegant an Jonas Tallents attraktiven Kopf. Seine braunen Augen blickten ebenso empört wie irritiert, als er sich in den Armsessel hinter dem Schreibtisch in der Bibliothek des Gutshauses sinken ließ, jenes väterlichen Anwesens, das er irgendwann einmal erben würde - ein Umstand, der in mehr als einer Hinsicht für seine momentan ausgesprochen deprimierte Stimmung verantwortlich war.
    Jonas’ Schwager Lucifer Cynster saß lässig auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch und lächelte trocken, aber mitfühlend. »Ich will die Bürde, die auf deinen Schultern lastet, keineswegs erschweren, möchte aber doch darauf hinweisen, dass Erwartungen die unangenehme Angewohnheit haben zu steigen, je mehr Zeit vergeht.«
    Jonas brummte mürrisch. »Das ist kaum überraschend. Juggs’ Ableben, das sicher kein Verlust ist, hat die Hoffnung auf eine bessere Zukunft für das Red Beils geweckt. Ich könnte schwören, dass das gesamte Dorf erleichtert aufgeseufzt hat, als Edgar den alten Trunkenbold tot in der Bierpfütze fand - und gleich darauf wilde Spekulationen angestellt hat, was aus dem Red Beils werden könnte, wenn es nur einen fähigen Gastwirt hätte.«
    Beinahe ein Jahrzehnt lang war Juggs der Gastwirt des Red Beils gewesen. Vor zwei Monaten hatte der Schankkellner Edgar Hills ihn tot aufgefunden.
    Jonas drückte sich tiefer in den Sessel. »Ich muss gestehen, auch ich habe anfangs spekuliert. Aber das war, bevor Onkel Martin sich in einen Haufen Arbeit geflüchtet hat und mein Vater verschwunden ist, um sich Tante Eliza und ihre Horde vorzuknöpfen. Womit die Suche nach einem neuen Betreiber für das Red Beils mir in den Schoß gefallen ist.«
    Um der Wahrheit die Ehre zu geben, er hatte die Chance, London zu verlassen und die Verwaltung des Gutshofes zu übernehmen, freudig begrüßt. Während seiner gesamten Jugendzeit hatte man ihn auf diese Aufgabe vorbereitet; sein Vater war zwar noch rüstig, aber dessen Kräfte ließen langsam nach, und die unerwartete Abwesenheit des alten Herrn, die wahrscheinlich länger dauern würde, hatte sich als perfekte Gelegenheit erwiesen, in dessen Fußstapfen zu treten und die Zügel selbst in die Hand zu nehmen.
    Obwohl diese Geschichte nicht der Hauptgrund gewesen war, warum er London Hals über Kopf verlassen hatte.
    In den letzten Monaten hatte ihn das Leben, dem er sich in der Stadt hingegeben hatte, zunehmend abgestoßen. Die Klubs, die Theater, die Dinner und die Bälle, die Soireen und auserlesenen Gesellschaften - das große Geld und das blaue Blut, die hochmütigen Damen, die sich überglücklich schätzten, einen attraktiven, finanziell unabhängigen und wohlerzogenen Gentleman in ihrem Bett willkommen zu heißen.
    Dabei war es sein Ziel gewesen, sich ein Leben aufzubauen, das sich genau um solche Zerstreuungen und Vergnügungen drehte, als er damals in der Stadt eingetroffen war, kurz nachdem seine Zwillingsschwester Phyllida Lucifer geheiratet hatte. Mit seinen angeborenen und ererbten Eigenschaften und Attributen und dank der ausgezeichneten Verbindungen zu den Cynsters war es nicht besonders schwer gewesen, all das zu bekommen, was er sich wünschte.
    Wie auch immer, nachdem er sein Ziel erreicht und sich jahrelang in den Salons herumgetrieben hatte, hatte er feststellen müssen, dass das glitzernde Leben ihn merkwürdig hohl und leer zurückließ.
    Unbefriedigt. Unerfüllt.
    Sogar untätig und leidenschaftslos.
    Jonas war nur zu bereit gewesen, nach Devon zurückzukehren und die Leitung des Gutshofes und der Ländereien zu übernehmen, während sein Vater nach Norfolk reiste.
    Außerdem hatte er sich gefragt, ob ihm das Leben auch in Devon nun leer und ohne jede Herausforderung Vorkommen würde. Ihm war die Frage durch den Kopf gegeistert, ob diese vernichtende Leere in seinem Innern gänzlich auf das Leben in der Stadt zurückzuführen war - oder ob es sich, weitaus beunruhigender, um das Symptom eines tiefer reichenden seelischen Übels handelte.
    Innerhalb weniger Tage nach seiner Rückkehr hatte er sich darum keine Sorgen mehr machen müssen. Plötzlich schien er sich vor Aufgaben kaum mehr retten zu können. Keine Minute war verstrichen, ohne dass er sich einer Herausforderung nach der nächsten hatte stellen und sich ihr mit ganzer Aufmerksamkeit widmen müssen. Sein Handeln war gefordert. Seit
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