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Stolz und Verfuehrung

Titel: Stolz und Verfuehrung
Autoren: Stephanie Laurens
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mageren Ersparnisse aufgezehrt, sondern nahezu ihr gesamtes Vermögen, das heißt, ihren Anteil an den Ländereien ihres Vaters, den der Familienanwalt Mr Cunningham für sie erstritten hatte. Nur dieser Mann wusste, dass Em und ihre Geschwister um einen ganz anderen Einsatz spielten, der sie ins tief im ländlichen Devon gelegene Colyton führte.
    Weder ihr Onkel noch alle anderen, die er nötigen oder überzeugen mochte, seinen Zwecken zu dienen - mit anderen Worten, es ihm in seinem Anwesen durch unbezahlte Arbeit möglichst bequem einzurichten -, waren über das Ziel ihrer Reise unterrichtet worden.
    Was bedeutete, dass sie ganz und gar auf sich gestellt waren. Oder besser gesagt, dass die Sorge um das Wohlergehen von Isobel, Henry und den Zwillingen Gertrude und Beatrice jetzt allein auf Ems zarten Schultern ruhte.
    Em störte sich nicht an der Bürde, die sie sich bereitwillig aufgeladen hatte. Nein, nicht im Geringsten. Es war ausgeschlossen gewesen, auch nur einen einzigen Tag länger als zwingend notwendig im Haus ihres Onkels zu bleiben. Allein die Aussicht auf die letztlich bevorstehende Abreise hat es den fünf Colytons ermöglicht, so lange unter Harold Potheridges ausbeuterischer Fuchtel auszuhalten. Aber bis zu Ems fünfundzwanzigstem Geburtstag war er, der Bruder ihrer verstorbenen Mutter, zusammen mit Mr Cunningham ihr Vormund gewesen.
    An ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag hatte Em die Stelle ihres Onkels eingenommen. Und an diesem Tag hatten ihre Geschwister und sie ihre wenigen weltlichen Besitztümer genommen - schon Tage zuvor hatten sie gepackt - und Runcorn, das Anwesen ihres Onkels, verlassen. Sie hatte sich innerlich gestählt, um dem Mann ihre Entscheidung mitzuteilen. Aber just an jenem Tag war Harold zu einem Pferderennen gefahren und wurde nicht Zeuge ihrer Abreise.
    Aber Emily wusste, dass er sich auf die Suche machen würde, soweit er dazu in der Lage war. Sie waren ihm viel wert - als seine unbezahlten Hausangestellten. Deshalb war es entscheidend gewesen, rasch nach London zu gelangen, wofür sie eine vierspännige Kutsche gemietet hatte, und das war, wie sie feststellen musste, sehr teuer.
    Dann hatten sie London in Droschken durchqueren und zwei Nächte in einem bescheidenen Hotel verbringen müssen, das heißt in einem Haus, in dem sie sich sicher genug fühlten, um schlafen zu können. Obwohl sie danach sehr sparsam gewesen und mit einer Postkutsche weitergefahren waren, war ihr kleines Vermögen wegen der fünf Fahrkarten, den notwendigen Mahlzeiten und den Übernachtungen in verschiedenen Gasthäusern rasch auf eine alarmierende Größe geschrumpft.
    Als sie Axminster erreicht hatten, war Em klar geworden, dass sie und vielleicht auch die dreiundzwanzigjährige Issy sich eine Arbeit suchen mussten. Allerdings hatte sie sich nicht vorstellen können, welche Arbeit für sie - als Töchter eines Gentlemans - überhaupt infrage käme.
    Bis sie die Anzeige an der Tafel gesehen hatte.
    Wieder las Emily ihre Abschrift. Probte stumm, wie so oft in den vergangenen Stunden, die richtigen Sätze und Versicherungen, mit denen sie den Besitzer des Gutshofes, dem auch das Red Beils Inn gehörte, überzeugen wollte, dass sie, Emily Beauregard, genau die richtige Person war, der er die Führung seines Gasthauses anvertrauen sollte. Niemand musste wissen, dass sie Colytons waren; zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt.
    Als sie die Anzeige ihren Geschwistern gezeigt und sie informiert hatte, dass sie beabsichtigte, sich um diesen Posten zu bewerben, hatten die vier ihrem Vorschlag fraglos und begeistert zugestimmt. Und nun trug sie in ihrem Retikül drei Empfehlungsschreiben für Emily Beauregard, geschrieben von erfundenen Inhabern von Gasthäusern, die sie auf ihrer Reise passiert hatten. Eine Empfehlung hatte sie selbst verfasst, eine zweite Issy, und der fünfzehnjährige Henry, der unbedingt hatte helfen wollen, hatte die dritte gekritzelt, während sie auf ihre Mitfahrgelegenheit nach Colyton gewartet hatten.
    Der Händler hatte sie draußen vor dem Red Beils abgesetzt. Zu ihrer größten Erleichterung prangte an der Mauer neben der Tür in dicken schwarzen Lettern noch eine Anzeige mit den Worten Gastwirt gesucht. Bisher war der Posten also nicht vergeben worden.
    Em hatte ihre vier Geschwister in einer Ecke der großen Gaststube Platz nehmen lassen und ihnen genügend Münzen für ein Glas Limonade in die Hand gedrückt. Währenddessen war ihr Blick aufmerksam und abschätzend durch den
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