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Stolz und Verfuehrung

Titel: Stolz und Verfuehrung
Autoren: Stephanie Laurens
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Raum geschweift. Die Fensterläden konnten einen Farbanstrich gebrauchen, und die Einrichtung war verstaubt und verschmiert.
    Aber sie konnte nichts entdecken, was mit einem Tuch und ein wenig Entschlossenheit nicht zu beseitigen gewesen wäre.
    Außerdem hatte sie den mürrischen Mann hinter dem Tresen beobachtet. Obwohl er sich um den Zapfhahn kümmerte, ließ sein Benehmen darauf schließen, dass er in Gedanken nicht bei der Sache war. Die Anzeige hatte eine Adresse genannt, an die die Bewerbungen zu richten waren, und zwar den Gutshof Colyton und nicht das Gasthaus, zweifellos in der Erwartung, dass die genannten Bewerbungen per Post eintreffen würden. Innerlich gewappnet und mit den knisternden »Empfehlungsschreiben« in der Tasche hatte Em den ersten Schritt gemacht und schließlich den Mann am Tresen nach dem Weg zum Gutshof gefragt.
    So war sie hierhergekommen und stand nun nervös vor dem Haus. Es war nur vernünftig, so redete sie sich ein, wenn sie das Haus beobachtete. So würde sie besser einschätzen können, was für ein Mensch sich hinter dem Eigentümer des Gasthauses verbarg.
    Ein älterer Mann, grübelte sie, und bodenständig; irgendetwas an dem Haus vermittelte ihr diesen Eindruck. Gemütlich. Seit vielen Jahren verheiratet, vielleicht verwitwet oder aber mit einer Frau an der Seite, die so alt und so gemütlich war wie er. Bestimmt gehörte er zum Landadel, höchstwahrscheinlich zu der Sorte, die man als »Rückgrat« des Landes bezeichnete. Verantwortungsvoll und fürsorglich - dessen war sie sich sicher -, was sich zweifellos als nützlich erweisen würde. Sie sollte sich bemühen, diese Gefühle ihn ihm wachzurufen, falls Überzeugungsarbeit nötig war, um die Position zu bekommen.
    Em wünschte sich, dass sie den Mann am Tresen über den Eigentümer hätte ausfragen können. Aber angesichts der Tatsache, dass sie sich um die Stelle als seine Vorgesetzte bewerben wollte, hätten solche Fragen heikel sein können, und auf keinen Fall hatte sie die Aufmerksamkeit auf sich lenken wollen.
    Die Wahrheit war: Sie brauchte diese Stelle. Brauchte sie sogar dringend. Abgesehen davon, dass sie ihr geschrumpftes Guthaben wieder aufstocken wollte, brauchten sie und ihre Geschwister einen Platz, an dem sie bleiben konnten. Em hatte angenommen, im Dorf mehrere Möglichkeiten zu finden, wo sie und ihre Geschwister Unterkommen konnten. Doch es gab nur einen einzigen Ort, der alle fünf gleichzeitig beherbergen konnte: das Gasthaus. Aber mehr als eine Übernachtung konnte sie sich nicht leisten.
    Schlimm genug. Doch solange es keinen Wirt gab, nahm das Gasthaus keine zahlenden Gäste auf. Noch nicht einmal Mahlzeiten wurden angeboten; nur am Tresen wurde bedient. Als »Gasthaus« konnte man das Red Beils kaum bezeichnen - ein Wirt wurde also dringend gebraucht.
    Ihr Plan - das große Ziel, das sie die vergangenen acht Jahre hatte ertragen lassen - sah vor, dass sie nach Colyton zurückkehrte, in die Heimat ihrer Vorfahren, und dort den Schatz der Colytons fand. In ihrer Familie erzählte man sich die Geschichte, dass dieser Schatz - ausdrücklich vorgesehen, um zukünftigen Generationen aus Notlagen zu helfen - im Dorf versteckt war, und zwar an einem Ort, der in geheimnisvollen Versen überliefert wurde.
    Ihre Großmutter hatte unbeirrt an den Schatz geglaubt und Em und Issy die Verse beigebracht.
    Ihr Großvater und ihr Vater hatten gelacht. Sie hatten nicht daran geglaubt.
    Emily dagegen hatte in guten und in schlechten Zeiten an der Geschichte festgehalten. Nur die Hoffnung auf den Schatz hatte Issy und sie und später auch Henry und die Zwillinge nicht verzweifeln und den Mut verlieren lassen.
    Noch nie im Leben hatte Em ein Gasthaus geführt. Aber in den letzten acht Jahren hatte sie sich um das Haus ihres Onkels gekümmert, und zwar vom Keller bis zum Dachboden. Auch in den vielen Wochen während der Jagdsaison, in denen seine unverheirateten Freunde ihn besucht hatten. Sie war überzeugt davon, dass sie mehr als ausreichend qualifiziert war, eine ruhige Schenke in einem verschlafenen Dorf wie Colyton zu führen.
    Wie schwer konnte das schon sein?
    Zweifellos würde es ein paar unbedeutende Herausforderungen geben. Aber mit Issys und Henrys Unterstützung würde sie sie meistern können. Sogar die verschmitzten Zwillinge, zehn Jahre alt, konnten ihr eine echte Hilfe sein.
    Sie hatte es lange genug herausgezögert. Sie musste es tun - musste zum Eingang gehen, an die Tür klopfen und den alten
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