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Mein Freund Dewey, der beruehmteste Kater der Welt

Titel: Mein Freund Dewey, der beruehmteste Kater der Welt
Autoren: Vicki Myron , Bret Witter
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anfängt. Es war kein Wunder, dass keine von uns ihn weitergeben wollte. Wir wollten den kleinen Kater ständig an uns drücken, herumtragen und herzen.
    Als ich ihn am Abend auf den Boden setzte, beobachtete ich ihn erst einmal fünf Minuten lang, um sicherzugehen, dass er zu seinen Näpfen und dem Katzenklo humpeln konnte. Wenn er eine Büchereikatze werden sollte, musste er lernen, allein in der Bücherei zu leben. Hätte ich ihn an diesem ersten Abend mit nach Hause genommen, hätte es passieren können, dass er auf mein Haus geprägt worden wäre und von dort nicht mehr weggewollt hätte. Deshalb musste ich ihn von Anfang an alleine in der Bücherei zurücklassen.
    Und dabei sah er so winzig aus, als er durch den großen Raum voller Bücher hinkte, wie ein kleines, schief geratenes Spielzeug. Und er gab sich so viel Mühe! Der arme kleine Kerl. Ich glaube, er hatte den ganzen Tag lang versucht, mit seinen von Erfrierungen schmerzenden Pfoten den Boden nicht zu berühren. Andererseits machte ich mir um ihn keine allzu großen Sorgen. Ich war noch am Vormittag mit ihm beim Tierarzt gewesen und wusste, dass seine Gesundheit nicht in Gefahr war. Und meine Kolleginnen hatten dafür gesorgt, dass er bereits ein Kistchen zum Schlafen und etwas zum Spielen hatte.
    Doris Armstrong, eine der Bibliothekarinnen, hatte ihm sogar eine warme, rosafarbene Decke besorgt. Wir hatten alle zugesehen, als sie sich hingehockt und das Kätzchen unter dem Kinn gekrault hatte. Dann hatte sie die Decke gefaltet und in seinen Karton gelegt. Der kleine Kater war zögernd in den Karton gestiegen, hatte sich zusammengerollt und war eingeschlafen. Und genauso fand ich ihn am nächsten Morgen vor: Er schlief auf seiner rosafarbenen Decke.
    Nun folgte der nächste Schritt: Die Öffentlichkeit musste von dem Kätzchen erfahren. Zwar waren alle Büchereiangestellten dafür, dass er blieb, aber die Entscheidung lag nicht bei uns. Die Stadtbücherei von Spencer gehörte der Stadtverwaltung und unterstand damit dem Stadtrat und dem Aufsichtsrat der Bücherei. Gleichzeitig »gehörte« sie aber auch den 10 000 Einwohnern von Spencer, und die konnten manchmal ziemlich eigen sein. Wenn wir das Kätzchen behalten wollten, mussten alle Beteiligten einverstanden sein.
    Als Bibliothekarin war mir klar, dass man nicht einfach eine Katze in eine Bücherei holen kann, nur weil sie niedlich aussieht. Wenn sie nicht zahm und freundlich ist, wird sie sich bald Feinde machen. Ist sie zu schüchtern oder ängstlich, wird sich niemand für sie einsetzen, wenn es nötig wird. Wenn sie nicht geduldig ist, wird sie eines Tages beißen oder kratzen. Und wenn sie zu wild und ausgelassen ist, macht sie zu viel kaputt.
    Bei unserem pelzigen Findelkind aber hatte ich keinerlei Bedenken. Von dem Moment an, in dem er mich so ruhig und zufrieden angeschaut hatte, wusste ich, dass er perfekt in die Bücherei passen würde. Sein Herz hatte ruhig weitergeschlagen, als ich ihn auf den Arm genommen hatte. Er hatte kein Anzeichen von Panik gezeigt. Er vertraute Menschen. Das war das Besondere an ihm: sein vollkommenes, uneingeschränktes Vertrauen. Und deshalb vertraute ich ihm ebenfalls.
    Dennoch war mir etwas bang, als ich Mary Huston, die Stadthistorikerin, in das Büro der Bibliothekarinnen bat. Das war sein erster öffentlicher Auftritt! Als ich das Kätzchen auf den Arm nahm, schlug mir das Herz bis zum Hals. Denn als es mich zum ersten Mal angeschaut hatte, war etwas geschehen: Wir hatten Freundschaft geschlossen. Für mich war unser Findling bereits mehr als irgendeine junge Katze. Ich kannte das Katerchen zwar erst seit einem Tag, aber bereits jetzt konnte ich den Gedanken nicht ertragen, ihn wieder hergeben zu müssen. Was, wenn Mary ihn nicht mochte?
    »Hallo, Katerchen«, sagte Mary lächelnd, als sie ihn sah. Sie streckte die Hand aus, um ihm den Kopf zu streicheln – und er reckte sich hoch und schnupperte an ihrer Hand.
    »Ach, ist der hübsch«, sagte Mary.
    Hübsch. Eigentlich genügte dieses Wort, um den Findling zu beschreiben. Er war eine wunderschöne Katze. Sein Fell war leuchtend orangerot und weiß, mit feinen dunkleren Streifen. Als er älter wurde, wurde es länger, aber als Kätzchen hatte er ein verhältnismäßig kurzes, flauschiges Fell, das um den Hals einen stattlichen Kragen bildete.
    Viele Katzen haben allzu spitze Nasen, das Maul springt etwas zu weit vor oder ihr Gesicht ist ein bisschen schief, doch das Gesicht dieses Kätzchens war perfekt.
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