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Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit

Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit

Titel: Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit
Autoren: Bill Bryson
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überlebt hatte. Ich war außerdem entzückt zu entdecken, dass es von niemand anderem als A. H. Blank erbaut worden war, dem Wohltäter der Menschheit mit der Dachterrassenwohnung, den Jed Mattes und ich immer besucht hatten. Blank hatte 1918 die außergewöhnlich üppige Summe von 750 000 Dollar für das Gebäude ausgegeben. Erstaunlich, dass es nicht mal ein halbes Jahrhundert überlebt hat. Die anderen großen Lichtspielhäuser aus meiner Kindheit – das Paramount, das Orpheum (später hieß es Galaxy), das Ingersoll, Hiland, Holiday und das Capri – verschwanden eines nach dem anderen. Wenn man heute einen Film sehen will, muss man zu einem Einkaufszentrum hinausfahren, wo man zwischen einem Dutzend Streifen wählen kann, sie aber nur auf einer kleinen Leinwand in einer Art kinematographischer Schuhschachtel sieht. Von Magie kann da keine Rede mehr sein.
    Der Riverview Park schloss 1978. Heute ist dort nur ein großes, leeres Gelände, und man sieht nicht mehr, dass er jemals existiert hat. Bishop’s, unsere geliebte Cafeteria, schloss etwa zur gleichen Zeit und damit war auch Schluss mit den Atomtoiletten, Tischlämpchen, dem herrlichen Essen und den freundlichen Kellnerinnen. Viele andere Restaurants mit ortsansässigen Besitzern – Johnny and Kay’s, Country Gentleman, Babe’s, Bolton and Hay’s, Vic’s Tally-Ho, das heißgeliebte Toddle House – verschwanden ebenfalls in diesen Jahren. Katz half beim Toddle House ein wenig nach, indem er mit einem neuen Projekt namens »Iss und zisch!« begann, bei dem er und sein jeweiliger Trinkkumpan einen veritablen Spätabendschmaus verzehrten und dann ohne zu bezahlen einen hastigen Abgang machten. Wenn man sie zurückrief, schrien sie »Grad nichts klein – muss zischen!« Ich würde nicht sagen, dass Katz das Toddle House im Alleingang in die Geschäftsaufgabe trieb, aber dagegen getan hat er auch nichts.
    Die Tribune , die Abendzeitung, die ich so manches Jahr, ohne dass es mir einer dankte, von Haus zu Haus geschleppt hatte, machte 1982 dicht, als man bemerkte, dass sie eigentlich seit 1938 keiner mehr gelesen hatte. Der Register , ihr großer Bruder, wahrhaftig einst der Stolz von Iowa, wurde drei Jahre später von der Gannett Company übernommen. Heute ist er, hm, auch nicht mehr das, was er mal war. Er schickt keinen Reporter mehr zum Baseball-Frühjahrstraining, ja, nicht einmal immer einen zur World Series – da ist es vielleicht ganz gut, dass mein Vater das nicht mehr erlebt.
    Greenwood, meine alte Grundschule, thront immer noch über ihrem hübschen Rasen und sieht von der Straße aus großartig aus. Doch die wunderbare alte Turnhalle und die Aula existieren nicht mehr; die beiden erhaltenswertesten Teile mussten einem neuen gläsernen Anbau nach hinten hinaus Platz machen. Auch alle anderen Besonderheiten – die Umkleideräume, die klackernden Heizkörper, die eleganten Trinkbrunnen, der Geruch nach Matritzen – sind längst verschwunden. Was heißt, auch die Greenwood ist nicht mehr so, wie ich sie kannte.
    Mein einzigartiger Little-League-Park mit der Tribüne und der Pressekabine wurde abgerissen, damit jemand ein riesiges Mietshaus an gleicher Stelle bauen konnte. Ein billiger neuer Baseballplatz wurde unten am Fluss, nicht weit von dort angelegt, wo die Butters gewohnt hatten, aber als ich das letzte Mal da war, war er völlig überwachsen und schien nicht mehr benutzt zu werden. Man konnte niemanden fragen, was passiert war, weil keine Leute mehr draußen sind – keine Kinder auf Fahrrädern, keine Nachbarn, die einen Schwatz über den Zaun halten, keine alten Männer, die auf Veranden sitzen. Alle sind in ihren Häusern.
    Den Supermarkt Dahl’s gibt es noch, und er erfreut sich auch immer noch eines gewissen Zuspruchs, doch schon vor Jahren sind der Kiddie Corral und die Warentunnel einer der regelmäßigen und im Allgemeinen schrecklichen Renovierungen zum Opfer gefallen. Fast alle anderen Läden in dem Viertel – Grund’s Groceries, Barbara’s Bake Shoppe, Reed’s Eisdiele, der Friseur Pope’s, das Malergeschäft Sherwin-Wiliams, Mitcham’s TV and Electrical, die kleine Schusterwerkstatt (von Jimmy dem Italiener, einer beliebten Lokalgröße), Henry’s Hamburgers, Reppert’s Drugstore – sind längst weg. Wo mehrere von ihnen standen, ist nun ein großer Walgreen’s Drugstore, damit man alles unter einem Dach in einem großen, anonymen, hell ausgeleuchteten Raum bei Leuten kaufen kann, die einen noch nie gesehen haben und
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