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Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit

Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit

Titel: Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit
Autoren: Bill Bryson
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anschaute. Es war einer, den ich für Katz gemacht hatte – oder »Mr. B. Bopp«, wie er sich keck nannte. Man hatte Mr. B. Bopp in der Nacht zuvor aufgegriffen, als er auf dem rasenbedeckten Mittelstreifen des Polk Boulevard bierselig ein Nickerchen hielt, und bei einer Durchsuchung seiner persönlichen Gegenstände auf dem Polizeirevier den gefälschten Führerschein zutage gefördert, den ich nun mit höflichem Interesse betrachtete. Auf der Rückseite stand »Banker’s Trust« und darunter Name und Adresse meines Vaters – na, wenn das nicht verräterisch war.
    »Das ist dein Vater, stimmt’s?«, sagte der Kripomann.
    »Nanu, ja, stimmt«, antwortete ich und brachte – hoffte ich – ein sehr hübsches verwundertes Stirnrunzeln zustande.
    »Willst du mir erzählen, wie das passiert ist?«
    »Ich wüsste nicht, wie«, sagte ich mit ernstem Blick und fügte hinzu: »Nein, warten Sie, ich wette, ich weiß es. Letzte Woche hatte ich ein paar Freunde eingeladen, und wir haben Platten gehört und da sind ein paar Jungs, die wir noch nie gesehen hatten, einfach reingekommen, obwohl es gar keine Party war.« Ich senkte ein wenig die Stimme. »Sie hatten getrunken.«
    Der Beamte nickte grimmig. Das kam ihm bekannt vor. Solche Geschichten hatte er schon oft gehört.
    »Wir haben sie natürlich gebeten zu gehen, und als sie gesehen haben, dass wir kein Bier oder andere Rauschmittel hatten, sind sie auch gegangen, doch ich gehe jede Wette mit Ihnen ein, dass einer von ihnen am Schreibtisch meines Vaters war und ein paar Schecks gestohlen hat, als wir nicht hingeguckt haben.«
    »Irgendeine Ahnung, wer sie waren?«
    »Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie von der North High waren. Einer von ihnen sah aus wie Richard Speck.«
    Der Beamte nickte. »Gut, allmählich kommen wir der Sache näher. Hast du Zeugen?«
    »Uum«, sagte ich, einen Hauch unverbindlich, nickte aber, als seien es viele.
    »War Stephen Katz dabei?«
    »Ich glaube, ja. Ja, ich glaube, ja.«
    »Gehst du wohl bitte raus und wartest im Vorraum und sagst Mr. Katz, er soll reinkommen?«
    Ich ging hinaus, Katz saß da. Ich beugte mich zu ihm hinunter und sagte rasch: »North High. Einfach zur Party gekommen. Schecks gestohlen. Richard Speck.«
    Er verstand sofort und nickte. Aus dem Grund sage ich ja auch, dass Katz einer der feinsten Menschen auf Erden ist. Zehn Minuten später wurde ich wieder hineingerufen.
    »Mr. Katz hier hat deine Geschichte bestätigt. Offenbar haben die Jungs von der North High die Schecks gestohlen und sie durch eine Druckmaschine gejagt. Mr. Katz hier war einer ihrer Kunden.«
    Er schaute Katz ohne große Sympathie an.
    »Großartig. Fall gelöst!«, sagte ich frohgemut. »Dann können wir gehen?«
    »Du ja«, sagte der Sergeant. »Mr. Katz muss leider noch mit mir in die Stadt kommen.«
    Katz nahm alles auf sich, ich behielt eine weiße Weste. Gott segne ihn und behüte ihn. Er verbrachte einen Monat im Jugendknast.

    Dabei verübte Katz seine Missetaten unter Alkohol nicht, weil er wollte, sondern weil er musste. Als er sich nach einer neuen Versorgungsquelle umsah, schraubte er seine Ansprüche höher. Des Moines hatte vier Biervertriebe, alle in roten Backsteinlagerhäusern in einer stillen Ecke am Rand des Zentrums, wo die Eisenbahnstrecke verlief. Katz beboachtete diese Lager ein paar Wochen genau und stellte fest, dass es dort praktisch keinerlei Sicherheitsvorkehrungen gab und an Samstagen und Sonntagen nicht gearbeitet wurde. Er bemerkte auch, dass Güterwagen oft und besonders an Wochenenden auf Abstellgleisen neben den Lagerhäusern standen.
    Eines Sonntagsmorgens fuhren also er und ein Junge namens Jake Bekins dorthin, parkten neben einem Güterwagen und zerschlugen das Vorhängeschloss mit einem schweren Hammer. Dann schoben sie die Tür des Güterwagens auf und entdeckten, dass er mit Bierkästen vollgeladen war. Wortlos packten sie Bekins’ Auto voll damit, schlossen die Güterwagentür und fuhren zum Haus eines dritten Beteiligten, Art Froelich, dessen Eltern nicht in der Stadt, sondern bei einer Beerdigung außerhalb waren. Mit Froelichs Hilfe trugen sie das Bier in den Keller. Dann kehrten alle drei zu dem Güterwagen zurück und wiederholten den Vorgang. Den ganzen Sonntag beförderten sie so lange Bier von dem Güterwagen in Froelichs Keller, bis sie den einen geleert und den anderen vollgemacht hatten.
    Froelichs Eltern sollten am Dienstag zurückkommen, am Montag brachten Katz und Bekins fünfundzwanzig Freunde
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