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Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit

Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit

Titel: Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit
Autoren: Bill Bryson
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Schreibtischen über Büchern zu sitzen und französisch zu inhalieren (was hieß: Rauchfäden vom Mund in die Nasenlöcher zu ziehen, was einem nicht nur mit jedem zu Kopfe steigenden Zug eine doppelte Dosis Nikotin, sondern, selbst um den Preis einer nikotinbefleckten Oberlippe und dauerhafter gelb-brauner Kreise um die Nasenlöcher eine Aura von lebenserfahrener Intellektualität bescherte). Oder ich lehnte mich, Hände hinter dem Kopf, zurück und blies träge Rauchkringel in die Luft, was ich bald so gut konnte, dass ich sie gegen Bilder an entfernten Wänden prallen lassen oder einen Kringel durch einen anderen schießen konnte – Talente, die mich als Großmeister des Rauchens auswiesen, noch bevor ich 15 war.
    Wir rauchten immer in Willoughbys Zimmer, wo wir neben einem Ventilator im Fenster saßen, der so eingestellt war, dass der gesamte Rauch in die schwirrenden Ventilatorblätter gesogen und von dort nach draußen geblasen wurde. Damals herrschte eine Theorie (die mein Vater engagiert und zuletzt als Einziger vertrat), dass der Ventilator alle heiße Luft aus dem Zimmer sog und kalte Luft durch jedes andere offene Fenster einsaugte. Aus irgendeinem Grunde nahm man an, dass das besonders sparsam sei, worin für meinen Vater der Reiz lag. Aber so funktonierte es überhaupt nicht – es sorgte nur dafür, dass es draußen ein wenig kühler wurde –, und schon bald gaben es alle auf, außer meinem Vater, der bis an sein Lebensende die Luft vor seinem Fenster kühlte.
    Aber wie dem auch sei, vorteilhaft an einem nach draußen blasenden Ventilator war immerhin, dass man das Rauchen jeder Zigarette mit einer schwungvollen Geste beenden konnte: Man schnipste die Kippe in die surrenden Blätter, die sie in einen herrlich anzusehenden Schauer nach draußen fliegender Funken verwandelte und das kompakte Ding adrett in seine Einzelteile zerlegte, und hinterließ keine sichtbare Spur. Das alles klappte auch immer gut, bis Willoughby und ich an einem Augustabend eine rauchten und dann ein wenig nach draußen an die frische Luft gingen. Wir ahnten nicht, dass ein einsames, eigenwilliges Glutstückchen zurück ins Zimmer geschleudert worden war und sich im Vorhangstoff festgesetzt hatte, wo es ungefähr eine Stunde lang schwelte und dann in ein kleines, aber munteres Feuerchen ausbrach. Als wir zu Willoughbys Haus zurückkamen, standen drei Löschfahrzeuge davor und Wasserschläuche schlängelten sich durch den Rasen zur Haustür und die Treppe hinauf: Willoughbys Zimmergardinen und mehrere Möbelstücke befanden sich klatschnass, noch leicht qualmend, auf dem Rasen vor dem Haus und Mr. Willoughby wartete in einem Zustand hochgradiger Erregung unter dem überdachten Hauseingang, um ein Wort mit seinem Sohn zu wechseln.
    Mr. Willoughbys Probleme hörten mit dieser Episode aber beileibe noch nicht auf. Im nächsten Frühjahr beschlossen Willoughby und sein Bruder Joseph zur Feier des letzten Schultages vor den großen Ferien eine Bombe zu basteln, die sie mit Konfetti vollstopfen und in der Nacht zuvor im Rasen der Callanan vergraben wollten, einer hübschen Grünfläche, die von einer im Halbkreis verlaufenden, formalen Auffahrt umgeben war und nie betreten wurde. Wenn pünktlich um 15.01 Uhr tausend schnatternde Schüler aus den vier Ausgängen der Schule strömten, sollte die Bombe, durch einen Zeitzünder von einem Wecker gezündet, mit einem Riesenknall losgehen und eine Menge Schmutz, Rauchschwaden und einen hübschen Schauer wirbelnden Buntpapiers in die Luft jagen.
    Die Brüder Willoughby mixten wochenlang gefährliche Mengen Schießpulvers in ihrem Zimmer und testeten diverse, immer kräftigere Mixturen im Wald unten an der Eisenbahnstrecke in der Nähe des Waterworks Parks. Nach dem letzten Test blieb ein Krater mit einem 1,20 Meter großen Durchmesser zurück, wurden Konfettistreifen 7,50 Meter in die Luft geschleudert, und es knallte so laut und hallend bis in die Innenstadt, dass aus acht verschiedenen Richtungen Streifenwagen zum Schauplatz rasten und fast 40 Minuten lang mit argwöhnischen Blicken das Gelände umfuhren. (Was, soweit bekannt, der längste Zeitraum war, den die Cops aus Des Moines je ohne Doughnuts und Kaffee verbrachten.)
    Es versprach eine fantastische Schau zu werden – der denkwürdigste letzte Schultag in der Geschichte der Schulen von Des Moines. Geplant war, dass Willoughby und sein Bruder um vier Uhr aufstehen, im Schutze der Dunkelheit zur Schule gehen, die Bombe legen und dann in
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