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Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit

Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit

Titel: Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit
Autoren: Bill Bryson
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brachte. Katz’ Trick bestand darin, zu einem Angestellten an der Lagertür zu gehen und zu sagen: »Entschuldigen Sie, Mister. Meine Schwester zieht um. Kann ich ein paar von den leeren Kartons nehmen?«
    »Klar, Junge«, sagte der Angestellte immer. »Bedien dich.«
    Katz ging ins Lager, suchte sich einen großen Karton, packte rasch köstliches eiskaltes Bier aus dem benachbarten Bierkühlschrank hinein, tat ein paar andere Kartons als Tarnung oben drauf und schlenderte mit seinem Gratisbier davon. Oft hielt ihm der Angestellte, den er gefragt hatte, sogar noch die Tür auf. Am schlimmsten war es, erzählte Katz immer, so zu tun, als seien die Kartons leer und wögen nichts.
    Natürlich konnte man nur so und so viel Mal um Kartons bitten, ohne Verdacht zu erregen, doch glücklicherweise gab es überall in Des Moines Dahl’s-Läden mit den Selbstbedienungskühlschränken, und man musste nur von Laden zu Laden weiterziehen. Katz wurde mehr als zwei Jahre nicht erwischt und käme wohl immer noch damit durch, wenn nicht einmal, als er das Dahl’s in Beaverdale verließ, der Boden eines Kartons nachgegeben hätte und sechzehn 0,95-l-Flaschen Falstaff herausgefallen wären und eine schäumende Schweinerei veranstaltet hätten. Katz war nicht so gebaut, dass er weglaufen konnte, und blieb deshalb grinsend stehen, bis ein Angestellter herbeigeschlendert kam und ihn, der keinen Widerstand leistete, zum Büro des Filialleiters brachte. Anschließend verbrachte Katz zwei Wochen in Meyer Hall, der örtlichen Jugendstrafanstalt.
    Ich beteiligte mich nicht an den Ladendiebstählen. Ich war viel zu feige und zu vorsichtig, um so offen gegen die Gesetze zu verstoßen. Mein Beitrag war Führerscheinefälschen. Es waren, auch wenn ich mich jetzt selbst lobe, kleine Meisterwerke – obgleich man nicht vergessen sollte, dass die vom Staat ausgegebenen Führerscheine damals nicht sonderlich kompliziert waren. Ein Führerschein bestand eigentlich nur aus einem Stück dickem blauem Papier, das so groß wie eine Kreditkarte und mit einem welligen Wasserzeichen versehen war. Als ich sah, dass die Rückseite der Schecks meines Vaters fast genau das gleiche wellige Muster hatten, traf mich ein Geistesblitz: Wenn man nämlich einen der Schecks auf das richtige Format zuschnitt, ihn umdrehte und mit Hilfe einer Reißschiene Kästchen in der richtigen Größe für Namen, Adresse des Inhabers und so weiter auf der leeren Seite anbrachte, dann mit Tinte, einem feinen Stift und eine gerade Linie einhaltend, die Worte »Kraftfahrzeugzulassungsstelle des Staates Iowa« samt ein paar weiteren kleinen Schnörkeln sorgfältig darüberschrieb, hatte man einen gefälschten Führerschein, der seine Dienste voll erfüllte.
    Man musste das Ding nur noch durch eine Schreibmaschine wie die meines Vaters drehen, falsche Angaben in die Kästchen setzen (vor allem dem Inhaber ein passend frühes Geburtsdatum verpassen), und schon hatte man ein Dokument, das man in jedem kleinen Laden der Stadt vorzeigen und zum Erwerb unbegrenzter Mengen Bier benutzen konnte.
    Bis es zu spät war, dachte ich allerdings nicht daran, dass auf der Kehrseite dieser hausgemachten Führerscheine, je nachdem, welchen Teil des Schecks ich mit der Schere auf das rechte Maß zurechtgeschnitten hatte, ausgewählte Details des Kontos meines Vaters standen – Name der Bank, Kontonummer, verräterische Kodierung und so weiter.
    Es fiel mir erst auf, als ich an einem Wochentag gegen 9.30 Uhr ins Büro des Direktors an der Roosevelt beordert wurde. Im Amtszimmer des Direktors war ich noch nie gewesen. Katz saß schon im Wartezimmer davor. Nicht zum ersten Mal.
    »Was’n los?«, fragte ich.
    Doch bevor er etwas sagen konnte, wurde ich ins Allerheiligste gebeten. Der Direktor saß mit einem Kommissar in Zivil da, der sich als Sergeant Rotisserie oder so ähnlich vorstellte und den letzten Flat-top in den Vereinigten Staaten von Amerika trug.
    »Wir haben einen Fälscherring entdeckt, der Führerscheine fälscht«, erzählte mir der Sergeant ernst und hielt eine meiner eigenen Kreationen hoch.
    »Einen Ring ?«, sagte ich und versuchte nicht zu strahlen. Mein erster Ausflug ins Verbrechen und ich war schon im Alleingang ein »Ring«. Ich war stolz wie Oskar. Andererseits wollte ich eher nicht ins Jugendgefängnis in Clarinda und die nächsten drei Jahre in den Duschen seifigem Sex mit Jungs namens Billy Bob und Cletus Leroy frönen.
    Der Sergeant gab mir den Führerschein, damit ich ihn mir
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