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0199 - Phantom der Lüfte

0199 - Phantom der Lüfte

Titel: 0199 - Phantom der Lüfte
Autoren: Wolfgang E. Hohlbein
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Sie waren geschlagen. Die Malicia sank. Die schweren, vom Blut rosarot gefärbten Wellen des Meeres leckten jetzt schon am Vordersteven, und das Wasser war ringsum bedeckt mit Trümmern und Leichen. Borg, der Pirat, hatte seine letzte Schlacht geschlagen. Der Happen, den er sich diesmal vorgenommen hatte, war ein bißchen zu groß für ihn gewesen.
    Er stieß sich von der Reling ab und wankte stöhnend weiter. Die Luft roch nach Brand und Tod, nach Schießpulver, Blut und Seewasser. Schwarze, fettige Rauchwolken quollen neben ihm in die Höhe, und das Prasseln der Flammen übertönte für einen Augenblick fast den Lärm der Schlacht.
    Ein Teil des zersplitterten Hauptmastes blockierte die Tür zur Kapitänskajüte. Borg rüttelte wütend an dem verkeilten Hindernis, brach sich die Fingernägel ab und stemmte sich noch einmal mit aller Kraft gegen das Trümmerstück. Er mußte unter Deck gelangen, koste es, was es wolle. Er mußte, wenn er noch eine winzige Chance haben wollte, das Gemetzel zu überleben.
    Borg sah sich gehetzt um. Der Kampf verlagerte sich langsam vom Achterdeck auf das Hauptdeck hinauf. Seine Männer würden nur noch wenige Augenblicke standhalten.
    Borg hatte vom ersten Augenblick an gewußt, daß es in diesem Kampf keine Gefangenen geben würde. Die Soldaten fluteten wie eine braune, brüllende Woge über das Deck und machten alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellte. König Wolan hatte geschworen, die Piraten ein für allemal von den Meeren zu vertreiben -und er schien sein Versprechen wahrzumachen. Seine Soldaten hatten Befehl, zu töten. Und sie führten diesen Befehl gnadenlos aus. Die Malicia war nicht das erste Piratenschiff, das in den letzten zwei Jahren in eine Wolanische Falle gefahren war - aber sie würde vielleicht das Letzte sein. Borg war in den vergangenen Jahrzehnten zu einer lebenden Legende geworden. Borg, der Pirat. Der Schlächter. Der Geier der Meere. Der Kaiser der Ozeane - es gab viele Namen, mit denen man ihn bedacht hatte. Er war der ungekrönte König der Piraten.
    In ein paar Augenblicken werde ich ein toter Piratenkönig sein, dachte er sarkastisch. Ein verdammt toter. Er riß sich von dem gleichermaßen faszinierenden wie grausigen Schauspiel los, stemmte die Schulter unter den Mast und spannte alle Muskeln. Seine Männer kämpften mit der gleichen Tapferkeit, die sie berühmt und gefürchtet gemacht hatte. Aber gegen einen Feind, der um ein Zehnfaches überlegen war, half auch die größte Tapferkeit nicht. Das Meer war rot vom Blut wolanischer Soldaten, und vier von fünf der leblosen Körper, die das Schiff und den umliegenden Ozean bedeckten, trugen das fleckige Braun der wolanischen Marine. Aber für jeden Toten kamen drei neue Soldaten aus dem riesigen Bauch des Frachters herauf.
    Borg sah die Bewegung aus den Augenwinkeln heraus und fuhr herum. Ein dunkler, in blutiges Leder gekleideter Schatten tauchte vor ihm auf. In einer instinktiven Bewegung riß er sein Schwert empor, parierte den Schlag und stieß gleichzeitig mit dem Dolch zu. Der Mann ließ seinen Säbel fallen und griff sich an den Hals. Zwischen seinen verkrampften Fingern quoll Blut hervor.
    Aber Borg blieb keine Zeit, sich über seinen ›Sieg‹ zu freuen. Vier, fünf weitere Soldaten landeten neben ihm auf dem Deck und drangen mit gezückten Schwertern auf ihn ein. Obwohl seine Kleider zerfetzt und sein Gesicht fast unkenntlich vor Ruß und Blut war, schienen sie ihn erkannt zu haben.
    Borg rammte dem ersten den Dolch in den Bauch, ließ sich blitzschnell fallen und führte einen Aufwärtsschlag, der einem zweiten Gegner das Leben kostete. Neben ihm hackte rasiermesserscharfer Stahl in die Planken, glitt über seinen Rücken und hinterließ einen langen, brennenden Kratzer. Aber der Schmerz stachelte Borgs Wut eher noch mehr an. Er federte hoch, durchbrach die Deckung eines Angreifers und wandte sich dann den verbliebenen zwei Gegnern zu.
    Es war ein Kampf ohne Hoffnung. Borg kämpfte mit der Kraft der Verzweiflung, aber seine beiden Gegner waren jung, stark und ausgeruht. Und das Schicksal ihrer Kameraden hatte ihnen gezeigt, mit welch gefährlichem Gegner sie es zu tun hatten.
    Langsam machte sich so etwas wie Verzweiflung in Borg breit. Er spürte, daß die beiden ihn nur hinhalten wollten. Sie hatten es nicht nötig, ihn zu töten. Alles, was sie erreichen mußten, war, ihn wenige Augenblicke zu beschäftigen. Vielleicht hatten sie sogar Befehl, ihn lebend zu fangen. Borgs Phantasie
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