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Mehr Stadtgeschichten

Mehr Stadtgeschichten

Titel: Mehr Stadtgeschichten
Autoren: Armistead Maupin
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auf der Stelle vor.«
    Er grinste sie an. »Tut mir leid. Ohne meinen Leierkastenmann trete ich nie auf. Aber, was ist mit dir? Wie fühlt man sich als Stern am Medienhimmel?«
    Sie ächzte und setzte sich auf das Sofa. »Ich bin fix und fertig. Ich hab mit allen drei Fernsehsendern geredet, mit der People, der Time, der Newsweek, der New York Times, dem National Enquirer und mit meinen Eltern. Meine Eltern waren am anstrengendsten.«
    »Klar.«
    »Sie sind völlig hysterisch, Mouse. Man könnte meinen, daß es hier nur so wimmelt vor kannibalistischen Episkopalen. Ich hab versucht, ihnen zu erklären, daß die Presse das ganze ziemlich aufbauscht, aber sie haben mir nicht mal zugehört. Sie wollen, daß ich mit dem nächsten Flugzeug nach Cleveland zurückkomme.«
    »Und, machst du’s?«
    Lächelnd schüttelte sie den Kopf. »Setz dich zu mir, Mouse. Ich brauche ein paar Streicheleinheiten.«
    Er ließ das Gehgestell stehen und plumpste auf das Sofa. Sie hielten sich lange umarmt.
    »Wie geht’s meiner Kleinen denn?« fragte Michael.
    »So la-la.«
    »Es wird sicher wieder besser. Glaub mir.«
    »Ich sollte nicht jammern. Im Vergleich zu Burke hab ich’s richtig angenehm. Er war schon den ganzen Vormittag bei der Polizei und hat versucht, sich zu erinnern.«
    »Wollen sie Namen hören von ihm?«
    Mary Ann nickte. »Bisher sind ihm vierzehn Leute eingefallen. Darunter drei Mitglieder des Kirchenchors, zwei Chirurgen am St. Sebastian’s und sogar noch ein paar Geschäftsleute.«
    »Also ist sein Gedächtnis wieder ganz da?«
    »Ja, fast. Das meiste kam an dem Abend wieder, an dem wir … am bewußten Abend. Allerdings kann er sich immer noch nicht erinnern, wie er im Golden Gate Park gelandet ist. Ich vermute, daß sie ihn unter Drogen gesetzt haben, sobald ihnen klar war, daß er das Gedächtnis verloren hatte.«
    »Komisch, daß sie nicht versucht haben, ihn richtig loszuwerden.«
    »Warum? Strenggenommen haben sie kein Verbrechen begangen. Das treibt die Polizisten am allermeisten auf die Palme. Die Ärzte kann man natürlich wegen Verletzung irgendwelcher ethischer Grundsätze ihres Berufsstands festnageln, aber sonst ist die Gesetzeslage eher verschwommen. Die verschiedenen Körperteile waren ja nur medizinischer Abfall. Und kein Gesetz verbietet das Essen von Abfällen.«
    Michael runzelte die Stirn. »Haben sie das Zeug wirklich gegessen?«
    Sie nickte. »Anscheinend haben sie irgendwie davon … probiert. Es sollte was Symbolisches sein oder so. Eine Stufe weiter als die Transsubstantiation. Burke hat erzählt, daß sie es im gleichen Moment gemacht haben, in dem die Leute unten das Brot gegessen und den Wein getrunken haben. Der Mann mit den Implantaten hatte dafür zu sorgen, daß das Zeug bei jeder Messe auf dem Steg bereitstand.«
    »Was passiert mit dem Kerl eigentlich?«
    »Wer weiß? Burke meint, daß der sich dumm und dämlich verdienen wird. Er hat auch schon einen Literaturagenten engagiert.«
    »Du nimmst mich auf den Arm!«
    »Aber nein. Ist das nicht ekelhaft?« Es schüttelte sie ein bißchen, und sie wandte sich ab. »Ich möchte bloß, daß alles schnellstens vorbeigeht.«
    Michael sah sie etwas unschlüssig an. »Darf ich dir noch eine Frage stellen?«
    »Klar. Mach nur.«
    »Was hat es mit der roten Rose auf sich gehabt? War das bloß die Fensterrose – die inkarnierte Rose, von der sie gesungen haben?«
    Mary Ann lächelte schwach. »Anfangs hab ich mir das so vorgestellt. Oder daß es was mit dem Blumenladen im St. Sebastian’s zu tun hatte. Aber dann kam raus, daß es weder mit dem einen noch mit dem anderen zu tun hatte, sondern mit einer Tätowierung.«
    »Mit einer Tätowierung?«
    Sie nickte. »An dem Abend, als Burke sein Gedächtnis verlor, nahmen ihn die Sektenmitglieder zum erstenmal mit hinauf auf den Steg, weil sie inzwischen genug Vertrauen zu ihm hatten. Allerdings hatte er nicht damit gerechnet, daß sie von ihm die Teilnahme an der Zeremonie erwarteten. Er wußte natürlich, daß sie Hochkirchler waren …«
    Michael lachte glucksend und unterbrach sie. »Höher als die kann man in einer Kirche wohl auch kaum noch hinaus«, sagte er.
    Mary Ann rang sich ein Lachen ab. »Jedenfalls wußte er nicht genau, was passieren würde, bis sie dann zu singen anfingen, Tyrone die Kühlbox aufmachte und einen Arm herauszog.«
    »Äbäh!«
    »Ich weiß«, sagte Mary Ann, die bei ihrer Beschreibung selbst zusammengezuckt war. »Wer würde nicht versuchen, so was zu
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