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Meereskuss

Meereskuss

Titel: Meereskuss
Autoren: Virginia Kantra
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eleganten Anzug.
    In ihres Bruders Anzug.
    Dylan kam nun durch die Schwingtür herein und vervollständigte die Szene: groß, dunkelhaarig und schlank in seinem schwarzen T-Shirt, das er in verwaschene Khakishorts gesteckt hatte.
    Die Luft kochte fast vor Anspannung und Pheromonen und war fast zu dick zum Atmen. Lucy fiel immer mehr in sich zusammen und zog sich langsam zu den Sitzecken an der Wand zurück.
    »Sehe nur ich das so«, fragte Regina von der Tür hinter Dylan, »oder ist es hier drin etwas zu voll?«
    Calebs Frau Maggie antwortete von der Küche her, und Belustigung schwang weich in ihrer Stimme mit: »Zu voll und zu heiß.«
    Sie schlenderte nach vorn, und keiner der Männer im Raum ließ sie aus den Augen. Lucy seufzte. Calebs neue Frau war auf eine exotische Art und Weise schön, volllippig und vollbusig, mit einer Mähne aus welligem dunklem Haar und einem gepflegten weiblichen Selbstbewusstsein.
    Sie nahm ihren Platz neben ihrem Mann ein und schickte ein Lächeln in die Runde. »Sehr heiß.«
    »Margred«, sagte Conn ernst. »Du wirkst … erholt.«
    Caleb stieß die Fäuste in die Jackentaschen und straffte die Schultern.
    Conn kannte sie, ging Lucy auf. Aber woher? Maggie war neu auf der Insel, ein Opfer des Gewaltverbrechens, das sich im Frühsommer zugetragen hatte. Caleb hatte sie am Strand gefunden, blutverschmiert, benommen und nackt, und mit nach Hause genommen. Maggie sagte, dass sie bei dem Angriff ihr Gedächtnis verloren habe, aber sie schien sich doch an Conn zu erinnern.
    »Mir geht es gut.« Margred berührte den Arm ihres Mannes in einer fast unmerklichen Geste, die ihn zurückhalten oder unterstützen sollte. »Wie Ihr seht.«
    Es war wirklich wie im Kino, dachte Lucy. Oder wie auf der Bühne. Nur war sie geradewegs in den zweiten Akt geplatzt, und niemand hatte ihr das Drehbuch gegeben.
    Auf Dylans hohen Wangenknochen zeichneten sich rote Flecken ab. »Mein Gott«, stieß er hervor. »Conn.« Oder meinte er etwa: »Mein Gott Conn«? »Was tut Ihr hier?«
    Conn hob die Augenbrauen. »Hast du deine Pflichten vergessen, dass du danach fragst?«
    Lucy sah ihrem Bruder ins Gesicht.
Autsch,
dachte sie.
    Regina reckte das Kinn. »Vielleicht hat er jetzt andere Pflichten.«
    »Dann hätte er mich darüber in Kenntnis setzen sollen.«
    Dylan nahm Reginas Hand und zog sie an seine Seite. »Ich werde Regina bald heiraten.«
    »Aha.« Conns Blick, so hell wie Frost, huschte über ihr Gesicht und senkte sich flüchtig auf ihren Bauch. »Glückwunsch. Dann werden Sie sicher das hier haben wollen.«
    Er holte eine Silberkette, die an seinem Hals hing, unter dem Hemd hervor, zog sie über den Kopf und legte sie auf die Glasvitrine vor ihm.
    Lucy hörte das Klirren von Metall und spürte ein Brummen in ihrem Kopf, als wäre er ein Bienenstock. Ihre Fingerspitzen kribbelten.
    Durch das Gewimmel in ihrem Kopf sah sie Caleb an den Tresen treten. »Was ist das?«, fragte er.
    »Ein Wächtermal«, hauchte Margred.
    Ein was?
    »Ein Hochzeitsgeschenk«, antwortete Conn gleichzeitig.
    Dylans rotes Gesicht wurde leichenblass. Was auch immer es war, dachte Lucy, ihr Bruder wünschte es sich sehr. In dem Versuch, den Nebel vor ihren Augen zu lichten und das Summen in ihr zum Schweigen zu bringen, blinzelte sie.
    Caleb warf Conn einen herausfordernden Blick zu. »Ein Geschenk – oder eine Bestechung?«
    Conns Mund wurde zu einer harten, schmalen Linie. »Sie unterschätzen das Geschenk. Und Ihren Bruder.«
    »Sagen wir lieber, dass mein Mann Euch nicht unterschätzt«, murmelte Margred. »Das Timing –«
    »Dylan hat es sich verdient.«
    Vergessen in ihrer Ecke, fragte sich Lucy:
Was verdient? Wie verdient?
    Sie schielte auf das Ding auf dem Tresen: Auf einer flachen Scheibe waren wirbelnde Linien eingraviert, die große Ähnlichkeit mit Reginas Tattoo hatten – drei fließende, miteinander durch einen Kreis verbundene Spiralen. Das Muster, sich windend, gefährlich und hypnotisierend wie eine Schlange, zog sie magisch an. Während sie darauf starrte, fühlte sie, wie sich ihr Kopf mit Bienen füllte und ihre Knochen zu Sand wurden.
    Tief atmen,
sagte sie sich und brachte alles in sich zum Stillstand, bis die Benommenheit wich.
    Dylan hob den Blick von dem Medaillon und sah Conn ins Gesicht. »Das kann ich nicht annehmen«, stieß er hervor.
    »Ich kenne dich als jemanden, der nicht dumm ist«, gab Conn zurück. »Ich kann deinen Einfluss überall auf der Insel spüren. Du bist nun ein Wächter, ob du das
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