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Meeresblau

Meeresblau

Titel: Meeresblau
Autoren: Britta Strauß
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setzte sie hinzu. „Das ist nur ein harmloser Hörtest. Ohne Stromschläge, versprochen.“
    „Du meinst, ich kann mich bedenkenlos in deine Hände begeben?“ Er lächelte, setzte die Kopfhörer auf und lehnte sich zurück. „Also gut, mein Vertrauen gehört dir.“
    „Kann ich?“ Das Herz schlug ihr bis zum Hals.
    „Nur zu.“
    „Gut. Du hörst gleich einen tiefen Ton. Sag mir einfach, wann du nichts mehr hörst.“
    „Von mir aus.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust, woraufhin sie den Test startete. Sein Gesicht verzog sich, als bereitete ihm der Ton Unbehagen, entspannte sich wieder und er neigte den Kopf. Es währte lange, bis er sein „Nichts mehr“ von sich gab. Eindeutig zu lange.
    „Und nun dasselbe in den hohen Frequenzen.“
    „Autsch.“
    Christopher zuckte zusammen. Er strafte sie mit einem ärgerlichen Blick und entspannte sich erst, als sie den Ton um einiges höher geschraubt hatte. Das war ungewöhnlich. Sie hatte die Grenze, hinter der das menschliche Ohr versagte, längst überschritten. Maya schraubte den Ton noch höher, doch Christopher blieb still. Als sie dachte, er würde gar nicht mehr reagieren, gab er ein „Jetzt“ von sich.
    „Ist das dein Ernst?“ Maya nahm ihm die Kopfhörer ab und verstaute sie in der Schublade.
    „Ist es.“
    Unfassbar. Sie tippte auf die Maus. Ein Diagramm erschien auf dem Bildschirm. Hin- und hergerissen zwischen Begeisterung und der Vermutung, dass dieser Mann ihr einen riesigen Bären aufband, betrachtete sie die Auswertung.
    „Zumindest wird mir jetzt klar, warum du die Walgesänge so anders hörst als ich. Das menschliche Gehör ist ziemlich beschränkt. Im hohen wie im niedrigen Frequenzbereich leistet es nicht besonders viel, aber das weißt du sicher selbst. Von den Frequenzbereichen, die dein akustischer Sinn meistert, kann das normale menschliche Gehör nur träumen. Du übertriffst die für Homo sapiens festgelegten Grenzen um ein Vielfaches.“
    Christopher erwiderte nichts. Er saß einfach nur da und lächelte sanftmütig, als wäre er das männliche Pendant zu Mona Lisa. Das Ergebnis schien ihn nicht überrascht zu haben, und während er sie musterte, kam sie sich wie ein Studienobjekt vor.
    „Und was denkst du jetzt?“ fragte er.
    „Ehrlich gesagt, keine Ahnung.“ Maya hob kapitulierend die Schultern. „Mir fällt nichts dazu ein. Du hast etwas gehört, was du nicht hören dürftest. Was soll ich dazu sagen?“
    „Am besten gar nichts. Kommen wir einfach zum Wesentlichen.“
    Christophers Blick richtete sich gen Fenster, hinter dem die Dunkelheit hereinbrach. Im Licht der Schreibtischlampe schimmerte seine Haut wie die eines Fotomodells, dem man mithilfe schamloser Retusche Makellosigkeit verliehen hat. Nur dass im Falle dieses Menschen alles auf Natürlichkeit zu beruhen schien. Er war unwirklich. Ja, das umschrieb seine Erscheinung und Fähigkeiten am besten.
    „Wann beginnt noch mal die Expedition?“, fragte er.
    „Die dritte Fahrt unseres Schiffes FS Astero startet am 28. Dezember und endet am 28. März.“ Wieder griff sie nach ihrerMuschelkette und nutzte den Anhänger, um ihre Nervosität zu überspielen. Das Schmuckstück war das letzte Geschenk ihres Großvaters. Der Tag, an dem sie die Kette verlor, würde der Tag ihres Untergangs sein. „Sie führt uns entlang der Küste von Chile und Peru. Unsere Forschungen drehen sich in erster Linie um die Untersuchung der Sedimentablagerungen und der Wassermassen auf dem Schelf mit Schwerpunkt auf Diatomeen und Foraminiferen sowie der Erforschung ihrer Auswirkungen auf die Sauerstoffmangelzonen vor der peruanischen Küste.“
    „Und in zweiter Linie?“
    „Erforschung der Tiefsee. Das Erfassen neuer Arten im Rahmen des Census of Marine Life. Boden- und Wasserproben, das Nachprüfen der Existenz möglicherweise vorhandener Maganknollen- und Methanhydratfelder.“
    Christopher gab ein Lachen von sich, in dem eine gewisse Verachtung mitklang. Es überraschte sie nicht. Ihr Gegenüber war bekannt für seine verbissenen Bemühungen, was den Meeresschutz betraf. Gerüchteweise war er aufgrund eines Vorfalls, über den zahllose Versionen kursierten, sogar einmal zwei Tage im Knast gelandet. Einige seiner Artikel hatten ihr nicht nur eine Gänsehaut verpasst, sondern mit ihrer Unverblümtheit und brutalen Ehrlichkeit auch die eine oder andere Träne in die Augen getrieben.
    „Natürlich“, raunte er wie zu sich selbst. „Die heiß begehrte Energiequelle der Zukunft, et
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