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Meeresblau

Meeresblau

Titel: Meeresblau
Autoren: Britta Strauß
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sich den meisten Menschen überlegen fühlte. Jeder andere wäre nach einer solchen Musterung in hohem Bogen rausgeflogen, doch bei ihm erlaubte sie sich eine Ausnahme. Sein Anblick faszinierte sie, auch wenn ihr die Art, wie er sie von oben herab fixierte, nicht behagte. Ohne Frage gehörte Selbstsicherheit zu seinem Repertoire.
    „Spielt das eine Rolle?“, fragte er sanft. „Ich bin hier. Ich möchte an dieser Expedition teilnehmen und ich will auf zunächstunbestimmte Zeit für Ihr Institut arbeiten. Sofern Ihnen das behagt.“
    Maya nickte. Dabei ließ sie ihren Blick über jeden Zentimeter seines Körpers gleiten, obwohl ihr klar war, dass es wahrscheinlich unhöflich wirkte. Es war wie der Drang, in ein überirdisches Licht zu schauen, um in dessen Glanz zu baden.
    „Gut.“ Sie glich ihre Unverschämtheit mit einem Lächeln aus, denn sein Angebot behagte ihr sogar außerordentlich. Dr. Jacobsens Spezialgebiet passte perfekt zu den Aufgaben, die sie im Laufe der Expedition abzuarbeiten hatten. Abgesehen davon wurden Experten wie er immer gebraucht. „Also mache ich es kurz. Sie sind mit Freuden angenommen. Leider ist der Plan noch nicht ganz fertiggestellt. Spätestens Mitte nächster Woche dürfte es allerdings so weit sein.“
    Jetzt nickte auch er, wobei Skepsis in seinen Augen lag. Vielleicht war es das Schildchen, das auf ihrem Tisch stand und sie als Professorin auswies, verbunden mit der Tatsache, dass auch sie noch sehr jung war für ihren Posten und oft für eine Studentin gehalten wurde. Vielleicht war es auch dieses schäbige Zimmer oder das Institut an sich, das ihm vermutlich wie eine Baracke vorkam.
    „Auf unserer Expedition kommt modernste Technologie zum Einsatz“, erklärte sie nicht ohne Stolz. „Unser unbemanntes Tauchfahrzeug Pelal5000 taucht bis zu sechstausend Meter tief. Außerdem kommen zur Unterstützung unseres Messprogramms zwei Gleiter der neuesten Generation zum Einsatz, die uns vom deutschen Institut IFM Geomar zur Verfügung gestellt wurden. Daneben unser Multibeam sowie das Atlas Parasound zur Erlangung eines möglichst detaillierten Abbildes des Ozeanbodens. Haben Sie Erfahrungen bezüglich bodensimulierender Reflektoren, Dr. Jacobsen?“
    „Letztes Jahr, nordöstlicher Atlantik“, kam es unbeeindruckt zur Antwort. „Vorletztes Jahr das Guineabecken. Die letzte Fahrt vor knapp vier Monaten ging zum Håkon Mosby Schlammvulkan vor der Küste Norwegens, jeweils mit Einsatz der von Ihnen genannten Geräte. Und bitte nennen Sie mich Christopher. Ich halte nicht viel von Titeln. Sie bedeuten mir ehrlich gesagt gar nichts.“
    „Von mir aus gern. Ich heiße Maya. Das
Professor
davor kehren wir auch mal unter den Teppich. Bezüglich Titeln sind wir einer Meinung.“
    Christopher lächelte. Seine Haltung wirkte entspannt, aber distanziert. Die Beine waren übereinandergeschlagen, die Arme vor der Brust verschränkt. Ein paar Locken fielen ihm vorwitzig in die Stirn, doch er strich sie nicht fort.
    „Was ist das auf dem Bildschirm?“ Er beugte sich ein wenig vor. „Ist das eine Aufnahme von Walgesängen?“
    „Ja.“ Röte schoss ihr ins Gesicht. „Das ist eins meiner Steckenpferde. Manche behaupten, der Ozean selbst sei ein Lied, in das Wale, Möwen und Meerjungfrauen harmonisch einstimmen.“
    „Meerjungfrauen?“
    Er neigte den Kopf. Nicht spöttisch, sondern interessiert, als weckte die mythologische Seite des Meeres ebenso seine Faszination wie die wissenschaftlichen Facetten. Als sie eine Welle von Sympathie aufsteigen spürte, sah sie etwas Erstaunliches. Je nachdem, aus welchem Winkel man seine Augen betrachtete, sahen sie anders aus. Mal ozeanblau, mal schwarz wie ihre eigenen und dann wieder … liebe Güte. Hatte man ihm Opale eingepflanzt? Über Jahre angeeignete Selbstsicherheit wich kindlicher Erregung. Vor ihr saß der erste Mann, den sie guten Gewissens und voller Überzeugung als schön bezeichnen würde. Auch wenn der Art, auf die er schön war, etwas Unheimliches anhaftete. Sie konnte diese Empfindung nicht näher definieren, doch sobald sich ihre Blicke kreuzten, durchliefen sie heißkalte Schauder. Er strahlte eine natürliche Form von Macht aus. Es war nichts Antrainiertes oder Erlerntes, sondern eine Aura aus Stärke, die seine gesamte Erscheinung ausmachte. Maya bezweifelte, dass seine Studenten gute Klausuren schrieben. Schlicht und einfach, weil sie vermutlich die gesamte Vorlesung damit verbrachten, ihn anzustarren.
    „Darf ich erwähnen, dass
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