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Meeresblau

Meeresblau

Titel: Meeresblau
Autoren: Britta Strauß
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deine Augen etwas ganz Besonderes sind?“, hörte sie sich sagen. „Sie gleichen dem Ozean.“
    „So waren sie schon immer.“
    Er zuckte mit den Schultern und sah sie an. So ungeniert und tief, dass sie erstarrte. Das Atmen fiel ihr schwer. Etwas Drückendes legte sich um ihren Brustkorb, und für einen Moment fühlte es sich an, als triebe sie in schwindelerregende Tiefe hinab. Sie zuckte zusammen. Was zum Teufel war das? Begann sie zu halluzinieren? Hatte er etwas gemerkt? Angesichts seines verdutzten Blickes stand das außer Zweifel.
    „Ich habe es heute wohl übertrieben mit dem Kaffeekonsum.“ Die Ausrede klang lahm, selbst in ihren Ohren. „Wo wir gerade über Walgesänge sprechen. Diese Aufnahme hat mir ein Kollege aus Hawaii geschickt. Möchtest du sie hören?“
    „Unbedingt.“ Er saß am anderen Ende des Tisches, doch seine Stimme schien ganz nah an ihrem Ohr zu schweben. „Und da wir gerade über meine Augen sprachen.“ Sein schiefes Lächeln verriet verschmitzten Humor. „Du siehst nicht aus wie eine Schottin.“
    „Ich bin nicht von hier. Ich bin zur Hälfte Sioux, zur Hälfte Japanerin“, antwortete sie. „Klingt komisch, ist aber so. Ich kann nichts dafür. Die meiste Zeit meines Lebens habe ich in Arizona verbracht. Auf Skye lebe ich erst ein paar Jährchen. Reiner Zufall, dass ich hier gelandet bin. Ich habe weltweit Hunderte von Bewerbungen verschickt, geklappt hat es am Ende hier auf dieser wunderschönen Insel.“
    Maya wusste, dass sie zu plappern begann, also reichte sie ihm schnell die großen Kopfhörer und setzte sich selbst die Kleineren auf. Dann drehte sie an ein paar Knöpfen, schob mithilfe der Maus einen Regler auf dem Monitor nach links und drückte auf den Startknopf.
    Christophers zuvor regloses Gesicht löste sich in Verzückung auf. Oh ja, sie wusste, was diese Laute auslösten. Die Gesänge der Wale schwollen auf und ab wie der Strom der Gezeiten. Sie seufzten, klagten und sangen über die Weiten des Ozeans, über die Schönheit des tiefen Blaus und das Wunder des Lebens. Sie erzählten in ihrer Fantasie von Leid und Freude, von Geburt und Tod. Von Stürmen, fernen Inseln und versunkenen Welten tief unter Wasser.
    Als der Wal verstummte, bemerkte Maya etwas, das sie verwirrte. Christopher seufzte, legte die Hände auf die Kopfhörerund schien wie verzaubert. Irgendetwas entzückte ihn über alle Maßen.
    Sie tippte ihm auf die Schulter. „Hörst du irgendwas?“
    „Ja“, antwortete er. „Er erzählt von seinem Leben. Von den Dingen, die er auf seinen Reisen zwischen den Ozeanen erlebt hat. Von allem, was er fühlt und denkt. Zwischen den Strophen singt er Laute, die so tief sind, dass man sie wie Vibrationen spürt. Wie Schwingungen. Sie übermitteln Gefühle.“
    „Schwingungen? Hörst du sie gerade jetzt?“
    Er nickte enthusiastisch. Das war seltsam, denn sie hörte absolut nichts. Maya setzte ihre Kopfhörer ab und studierte sein Gesicht. Saß ihm der Schalk im Nacken? Trieb er ein Spiel mit ihr?
    „Ein Buckelwal ändert sein Lied ständig“, sagte sie. „Keine Strophe wiederholt sich und jedes Tier besitzt seinen eigenen Dialekt. Deine Theorie würde das auf die romantische Weise erklären.“
    „Es ist keine Theorie.“ Er gab ihr die Kopfhörer zurück und heftete seinen Blick auf das an der Wand hängende Plakat. Es zeigte sämtliche in den Ozeanen beheimateten Walarten. „Das mag einem Wissenschaftler seltsam erscheinen, weil er an nichts glaubt, was er nicht auseinandernehmen kann. Aber die Person, von der du gehört und gelesen hast, ist nur ein kleiner Teil von mir.“
    „Wer kann schon wissen, was die Tiere wirklich sagen?“ Sie faltete ihre Hände und berührte damit ihr Kinn. „Das konnten nicht einmal meine Vorfahren mütterlicherseits. Aber eine Sache ist merkwürdig.“
    „Welche?“ Sein freundlicher Blick rührte Maya, denn er strahlte Unschuld aus und wischte ihren ersten Eindruck von Arroganz beiseite.
    „Zwischen den Strophen höre ich rein gar nichts“, brachte sie ihre Verwirrung auf den Punkt. „Mir kommt da ein Gedanke.“
    Ein Hörtest war zweifellos eine skurrile Idee, aber da Maya ihren schillernden Ruf eben diesen verdankte, konnte eine weitere nicht schaden. Kurzerhand holte sie einen anderen Satz Kopfhörer aus der Schublade.
    „Hier. Setz die mal auf.“
    Christopher nahm sie entgegen. Argwöhnisch drehte er sie hin und her und erweckte den Anschein, mit einer schweren Entscheidung zu ringen.
    „Keine Sorge“,
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