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Meade Glenn

Meade Glenn

Titel: Meade Glenn
Autoren: Unternehmen Brandenburg
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Narbe auf seiner rechten Wange stand ihm nicht schlecht und verlieh ihm etwas Draufgängerisches. Erika beobachtete, wie er mit den Schlüsseln spielte und sie durch die Finger gleiten ließ.
    Er bemerkte ihren Blick und lächelte. »Wie ich dir schon gestern abend sagte: Alles, was ich über diese Leute gesammelt habe, befindet sich in Sicherheit an einer Stelle, wo niemand suchen würde. Also mach dir keine Sorgen, Erika. Ich bin vorsichtig.«
    Als sie sein Lächeln erwiderte, sprach aus ihrem Blick ihre Besorgnis. Sie berührte seine Hand.
    Mit der freien Hand schob er die Schlüssel in seine Tasche zurück. So nah … er fühlte sich ihr so nah.
    »Erika …«
    »Ja?«
    Er wollte weitersprechen, ihr sagen, was er wirklich empfand, doch genau in diesem Augenblick rief die metallischquäkende Frauenstimme aus den Lautsprechern ihren Flug auf. Erika ließ zögernd seine Hand los und ergriff ihr Handgepäck.
    »Was ist denn, Rudi?«
    Als sie sich ansahen, schüttelte er den Kopf und stand auf.
    »Nichts. Komm, du solltest jetzt besser an Bord gehen.«
    Er begleitete sie zum Flugsteig und trug ihr Handgepäck. Vor dem Kontrolltresen blieben sie stehen, und er reichte es ihr.
    »Bestell allen meine Grüße.«
    Sie hob die blauen Augen zu seinem Gesicht. »Bestimmt.«
    Dann wollte sie ihn auf die Wange küssen, doch Rudi drehte im letzten Moment den Kopf und küßte sie statt dessen sanft auf die Lippen. Sie waren weich und warm, und er roch wieder ihr Parfum, ihren Körper, hätte sie gern umarmt, doch im gleichen Moment bog sie sich zurück.
    »Auf Wiedersehen, Rudi.«
    »Auf Wiedersehen, Erika. Hab einen angenehmen Flug.«
    Er blickte ihr nach, während sie die Sicherheitskontrolle passierte. Am Durchgang drehte sie sich noch einmal um und winkte. Rudi hob ebenfalls grüßend die Hand, bevor Erika sich im Gedränge der anderen Fluggäste verlor.
    Hernandez schüttelte den Kopf und seufzte. Er hätte ihr sagen sollen, was er eigentlich auf dem Herzen hatte. Daß er sie liebte.
    In dem Augenblick erwachte die blecherne Frauenstimme in den Lautsprechern wieder zum Leben.
    » Señor Rudi Hernandez, bitte kommen Sie zur Information Señor Rudi Hernandez, zur Information bitte. «
    Das Mädchen am Informationsstand reichte ihm einen Zettel mit der Nummer von Mendoza, seinem Redakteur. Er ging zu einem Telefon und rief an. Mendoza hob selbst ab.
    » Sí? «
    »Ich bin’s, Rudi. Ich bin am Flughafen.«
    » Buenas tardes, mein Freund. Einige haben’s echt gut. Andere schwitzen sich in einem heißen Büro zu Tode, um sich ihre Brötchen zu verdienen.«
    Rudi grinste. »Man sagte mir, ich solle dich anrufen. Worum geht’s?« Er suchte in seinen Taschen nach dem Zigarettenpäckchen, schüttelte eine heraus und zündete sie sich an.
    »Hast du den Job mit der sexy Gringa erledigt?« wollte Mendoza wissen.
    »He, ein bißchen Respekt gefälligst. Vergiß nicht, über wen du redest.« Rudi mußte über sich selbst grinsen. »Also, was hast du für mich? Irgendeinen Knaller?«
    »Einen Raubüberfall mit Körperverletzung auf der Calle Enrico und einen alten Knacker, der sich umgebracht hat.
    Welchen davon willst du? Victor Estrel übernimmt den anderen Fall. Mir ist es gleich, aber da wir Freunde sind, darfst du dir einen aussuchen.«
    »Na, vielen Dank«, sagte Rudi. »Wieso darf ich mir dann nie aussuchen, ob ich zum Schönheitswettbewerb oder der politischen Veranstaltung gehe?«
    Er konnte sich Mendozas Grinsen am anderen Ende der Leitung genau ausmalen.
    »Das ist das Privileg meiner Stellung, mein Freund. Außerdem lenken hübsche Mädchen dich nur von der Arbeit ab, das weißt du doch. Also, welchen der beiden Fälle willst du?«
    »Was ist mit dem Raubüberfall?«
    »Ein paar Kinder haben einen Gringo mit dem Messer bedroht und ihm die Brieftasche geklaut. Die Polizei hat die Kinder erwischt, und der Gringo liegt im Krankenhaus. Er hat einen Kratzer an der Hand.«
    »Und der Selbstmord?«
    Am anderen Ende der Leitung herrschte eine kurze Pause.
    »Ich habe vor zwanzig Minuten einen Anruf von unserem Freund Casado bei der Polizei bekommen. Irgendein alter Knabe hat sich das Hirn weggepustet, in der Nähe vom Trinidad-Viertel.«
    Rudi Hernandez nahm die Zigarette aus dem Mund, griff nach Stift und Notizbuch und überlegte, für welche der beiden Storys er sich entscheiden sollte. Nach zehn Jahren bei der Zeitung machte es keinen großen Unterschied mehr. Er kannte schon alle Geschichten, hatte sämtliche Verbrechen gesehen.
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