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Meade Glenn

Meade Glenn

Titel: Meade Glenn
Autoren: Unternehmen Brandenburg
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der DSE sollte ein europäisches Gegenstück zum FBI der Vereinigten Staaten oder dem MI5 Großbritanniens geschaffen werden, eine Ermittlungsbehörde, die das Recht besaß, Staatsgrenzen zu überschreiten. In der Praxis hatte sich leider gezeigt, daß die DSE hinter diesen hochgesteckten Erwartungen ein wenig zurückblieb. Die Gründung der EU hatte den Nationalismus nicht über Nacht verschwinden lassen, und darüber hinaus stellten sich noch andere, vordringlichere Probleme. Immerhin hatte Sally Straßburg großartig gefunden, aber nun war es Zeit, wieder nach Hause zurückzukehren und eine Woche Urlaub in London zu verbringen, dann ging es für sie weiter zu ihrem neuen Posten nach New York.
    Als Volkmann anbot, ihr beim Packen zu helfen, hatte sie gewußt, daß er ihr wirklich helfen wollte und nicht nur nach einem Vorwand suchte, sich an sie heranzumachen.
    Den ganzen Nachmittag lang hatte er ihr in ihrer Wohnung in Petite France geholfen, ihre Stereoanlage und die kleineren, antiken Möbelstücke, die sie im Laufe der Zeit gekauft hatte, in hölzerne Überseekisten zu packen. Als sie ihn dafür zum Essen einladen wollte, hatte er zwei Opernkarten hervorgezaubert und ihr offenbart, daß er bereits einen Tisch für das Dinner reserviert habe.
    Sie beobachtete ihn während der Vorstellung. Anscheinend hörte er der Musik sehr konzentriert zu. Obwohl er sie häufig anlächelte und der Abend eindeutig ein romantisches Flair aufwies, hatte Volkmann jeden plumpen Annäherungsversuch unterlassen. Weder hatte sich seine Hand unter ihren Rock verirrt, noch hatte er sich »zufällig« an ihr gerieben. Letzteres zeigte sich immer wieder als Spezialität der Italiener, wenn man sich unvorsichtigerweise ihren Büros im vierten Stock näherte.
    Er war weder kühl noch distanziert, aber sie hatte das Gefühl, daß er auch nichts erzwingen wollte. Genau das forderte sie heraus und war ein weiterer Grund, warum sie ihn wollte.
    Seine Wohnung am Quai Ernest lag im ersten Stock, und von seinem Balkon sah man auf einen kleinen, gepflasterten Innenhof. Es war eine Dreizimmerwohnung, und für eine Junggesellenbude wirkte sie recht aufgeräumt. In der Ecke standen eine Stereoanlage von Pioneer, einige gebundene Bücher, Taschenbücher, viele Kassetten und CDs. Dabei handelte es sich vorwiegend um klassische Musik, aber einige zeitgenössische Komponisten waren auch darunter. Zu der E-Musik kamen einige moderne Alben, auffällig aber war die umfangreiche Dvorak-Kollektion und einige Platten junger russischer Komponisten, von denen Sally noch nie etwas gehört hatte. Auf einem Regal standen neben einigen Büchern auch gerahmte Fotografien.
    »Was möchten Sie trinken, Sally?«
    Sie setzte sich auf die Couch und schlug ihre langen Beine übereinander. Sie bemerkte, daß er kurz darauf blickte und lächelte. »Haben Sie Scotch?«
    »Na klar.«
    »Dann hätte ich gern einen großen. Mit Eis und Cola.«
    Er nickte, und sie sah ihm nach, wie er in die Küche ging. Er war im konventionellen Sinn nicht gutaussehend, aber er war attraktiv. Groß, dunkelhaarig, gut gebaut, und er wirkte eher französisch als britisch. Er war siebenunddreißig, sah aber erheblich jünger aus. Und er hatte das gewisse Etwas, fand Sally Thornton, ohne daß sie es genauer hätte bestimmen können.
    Vielleicht der Ausdruck seiner einfühlsamen braunen Augen; deren Ausdruck erinnerte an die Augen der Frau auf dem Foto im Regal.
    Er sah aus wie ein Mann, der eine Frau beschützen konnte, aber das taten alle Männer, mit denen sie arbeiteten. Es waren Soldaten, Geheimdienstoffiziere, und knallharte Drogenexperten, die als Polizisten posierten. Ganz abgesehen davon wußte Sally sehr wohl auf sich selbst aufzupassen.
    Unvermittelt glaubte sie zu wissen, was ›es‹ war: Er gehörte zu den Männern, die einer Frau Vertrauen einflößten. Weder kehrte er den harten Burschen hervor, noch setzte er seine Körperkraft ein wie eine Waffe. Und sein Lächeln verriet ihn, so als versteckte sich unter dem professionellen, reservierten Äußeren eine verletzliche Seele.
    Er kam mit ihrem Glas in der Hand wieder zurück und reichte es ihr. Seine Krawatte war gelockert und der oberste Knopf seines Hemdes geöffnet. Er selbst trank Bier aus der Flasche und wirkte auf Sally so entspannt, wie sie ihn noch nie gesehen hatte.
    Während er trank, sah er sie an. Wenn sie ihre langen Beine übereinanderschlug, sahen sie in den hochhackigen Pumps noch besser aus. Ihr enger Rock war ein
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