Meade Glenn

später, das verspreche ich ihnen, später werden sie den Preis bezahlen.«
    Er warf einen Blick auf seine Uhr und sah den jungen Mann an.
    »Fliegen Sie noch heute nachmittag nach Deutschland zurück?«
    Der andere schüttelte den Kopf. »Ich treffe mich zuerst mit unseren Freunden in Paris. Dort wird das Ausländerproblem ebenfalls immer drängender. Sie interessieren sich für unseren Schadensbericht und unsere zukünftigen Absichten, was die Kooperation angeht. Das gleiche gilt für unsere Kameraden in Rom. Kassner ist schon auf dem Weg dorthin. Und Sie?«
    »Erst fliege ich nach London, dann über Rio nach Asunción.«
    Der Jüngere sah ihn an. »Sie haben den vorläufigen Bericht, aber bitte betonen Sie, daß wir unsere Pläne weiterführen. Sie können ihnen unsere Entschlossenheit versichern.«
    Der Ältere legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ich lasse es sie wissen, keine Sorge, Raul. Und danke, daß Sie gekommen sind.«
    Der Jüngere nahm seine Aktentasche hoch, schob die Unterlagen hinein, klappte die Sicherheitsschlösser zu und verstellte die Zahlen mit den Daumen. Dann nahm er seinen Mantel über den Arm, und der Grauhaarige führte ihn zur Tür.
    Sie schüttelten sich fest die Hände, und der Jüngere kontrollierte vorsichtig den Flur, bevor er hinausging.
    Er drückte den Rufknopf des Aufzugs, dessen Türen sich bereits geöffnet hatten, als er hörte, wie der Grauhaarige ihm etwas nachrief.
    »Und Raul …«
    »Ja?«
    »Fast hätte ich es vergessen. Frohes neues Jahr.«
    »Dasselbe wünsche ich Ihnen auch.«
    Nachsatz
    Im Winter 1941, zehn Jahre nachdem Geli Raubal tot in der Wohnung ihres Onkels in München aufgefunden wurde, erteilte die NS-Verwaltung in Wien einen Geheimbefehl zur vollständigen Zerstörung von Geli Raubals Grab einschließlich der Nachbargrabstätten auf dem Wiener Zentralfriedhof. Gründe wurden nicht angegeben, und der Befehl wurde unverzüglich ausgeführt.
    Bis zum heutigen Tag ist diese Parzelle mit der Nummer 23e ungenutzt, eine riesige, freie Grünfläche mitten in einem verschlungenen Labyrinth von Grabstätten und Gräbern auf dem alten Zentralfriedhof. Ob die Reste Geli Raubals dort noch liegen, bleibt ein Geheimnis. Zahlreiche Gesuche, nach den Überresten zu graben und sie zu exhumieren, sind eingereicht worden, doch in jedem Fall haben die Wiener Behörden die Genehmigung verweigert und bewahren so das Geheimnis.
    In den Monaten und Jahren nach dem Selbstmord des Mädchens haben viele Personen behauptet, die Wahrheit hinter Geli Raubals Tod zu kennen, den geheimnisvollen Grund für ihre Ermordung.
    Alle diese Personen sind eines gewaltsamen Todes gestorben, einschließlich des Journalisten Fritz Gerlich, der in diesem Buch kurz erwähnt wird.
    Aber worum handelte es sich bei diesem ›Geheimnis‹?
    Es gibt einige Anhaltspunkte.
    Ende 1931, einen Monat nach Geli Raubals Tod, ist Erhard Johann Schmeltz, ein fanatischer Nationalsozialist und ein enger Freund Adolf Hitlers, zusammen mit seiner Schwester, spurlos aus seiner Wohnung in München verschwunden. Die beiden wurden in Deutschland nie wieder gesehen.
    Siebzehn Jahre später, drei Jahre nach Kriegsende hat ein ehemaliger Offizier der Waffen-SS, den die CIA wegen seiner Beteiligung am Verschieben großer Mengen von Nazigold nach Südamerika suchte, aus seiner neuen Heimat Asunción in Paraguay einen Brief an einen Freund in München geschrieben.
    Darin schildert er schockiert die Begegnung mit der Schwester eines alten Freundes aus der Zeit vor der Machtergreifung. Sie seien sich in einer abgelegenen Ortschaft nördlich der paraguayischen Hauptstadt über den Weg gelaufen.
    Den Namen dieses Freundes hat er als Erhard Schmeltz angegeben.
    Und in Begleitung der unverheirateten, älteren Schwester von Schmeltz befand sich nach den Worten des überraschten Briefschreibers ein nachdenklich wirkender, dunkelhaariger Junge von höchstens siebzehn Jahren.
    ENDE