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Meade Glenn

Meade Glenn

Titel: Meade Glenn
Autoren: Unternehmen Brandenburg
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Geschichte.«
    Es war eine Lüge, aber warum sollte er die Wahrheit sagen?
    Die Geschichte, an der er arbeitete, die Geschichte, von der er ihr erzählt hatte, beschäftigte ihn zwar auch, aber im Augenblick nur am Rande. Jetzt dachte er an Erika; er wollte nicht, daß sie abreiste.
    »Ich möchte, daß du mir versprichst, vorsichtig zu sein.«
    Die junge Frau klang plötzlich ganz ernst. »Versprichst du mir das?«
    Er lächelte unbekümmert und sah ihr in die Augen. »Ich bin immer vorsichtig, Erika. Das weißt du doch. Manchmal sogar zu vorsichtig.«
    Mit ihrem blonden Haar sah sie so anders aus als die dunkelhaarigen Südamerikanerinnen in den Barrios, den Vorstädten, und der Kontrast erregte allgemein Aufmerksamkeit. Die Indiofrau, die auf der Calle Estrella Blumen verkaufte, hatte Erika gebeten, ihr Haar anfassen zu dürfen, und gemeint, es würde ihr Glück bringen. »Sie ist wunderschön.« Die alte Frau hatte gelächelt, während sie Erikas Haar streichelte, und Rudi angesehen. »Sie wird uns beiden Glück bringen, glauben Sie mir.«
    Er hatte gesehen, wie die Lateinamerikaner sie angestarrt hatten, und gewußt, was die Männer dachten. Er konnte es ihnen nicht verübeln. Ihm ging ja ständig dasselbe durch den Kopf.
    Dann fiel ihm wieder der Tag ein, als sie gemeinsam die Besichtigungstour in den Bergen gemacht hatten, im Regenwald nahe der brasilianischen Grenze. Wie nah er ihr da gewesen war! Doch jetzt bemerkte er ihren besorgten Gesichtsausdruck.
    »Hast du schon mal daran gedacht, Mendoza zu bitten, dir bei der Story zu helfen?«
    Rudi zuckte mit den Schultern. »Mit welcher Story sollte ich ihm kommen? Vielleicht ist es wirklich eine große Sache. Aber dafür habe ich keinen Beweis, Erika. Keinen echten Beweis.
    Nur das Wort von Rodriguez. Und die paar Fotos.«
    Er wiederholte nicht, was er ihr bereits versichert hatte: Daß sie keine Angst um ihn haben müsse. Statt dessen trat ihm der Anblick von Rodriguez’ Leichnam wieder vor Augen – wie er auf dem kalten Metalltisch in der Leichenhalle des städtischen Krankenhauses lag. Rudi spürte wieder das gleiche Ekelgefühl, das er empfunden hatte, als der Angestellte das weiße Laken zurückzog und den geschundenen, blutigen Körper des Mannes entblößte. Rudi unterdrückte die Angst, die in ihm aufkeimte, und beugte sich näher zu Erika. Der Duft ihres Parfums erregte ihn.
    »Ich muß es langsam angehen lassen, Erika. Behutsam. Und kann nur hoffen, daß irgend etwas dabei rauskommt.« Er klopfte ihr kumpelhaft auf die Hand, und dabei hätte er sie viel lieber ergriffen und liebkost. »Aber ich verspreche dir, ich bin vorsichtig.«
    Sie lächelte ihn an, und sein Körper reagierte unwillkürlich auf ihr Lächeln. Wäre er jetzt allein mit ihr in einem Schlafzimmer gewesen, hätte er wahrscheinlich den Mut aufgebracht, sie zu küssen, sie an sich zu ziehen, sie zu lieben. Er fragte sich, wie sie wohl reagieren würde, diese kühle, blonde Gringa. Würde sie sich darauf einlassen oder ihn mit verdutzter, fassungsloser Miene ansehen und sagen: ›Aber Rudi … hör bitte auf mit dem Unsinn!‹
    Er nahm in sich auf, wie sie an ihrem Brandy nippte und dabei das Glas in beiden Händen hielt. »Was ist mit den Männern, die deiner Meinung nach Rodriguez getötet haben?«
    »Was soll mit ihnen sein?«
    »Werden sie dich nicht suchen? Werden sie nicht befürchten, daß du es der Polizei meldest?«
    Hernandez lächelte, als er ihre Angst bemerkte, und versuchte, furchtlos zu klingen, um sie zu beruhigen. »Unmöglich. Erstens kennen die Leute, die Rodriguez umgebracht haben, mich nicht und haben mich noch nie gesehen. Und zweitens wissen sie nicht einmal, daß ich existiere. Davon bin ich überzeugt.«
    »Aber was wird geschehen, sobald deine Geschichte erschienen ist?«
    Hernandez trank einen Schluck Kaffee. Er schmeckte bitter, und er schob mit angewidertem Gesicht die Tasse fort. »Falls die Geschichte erscheint, kann ich die Zeitung bitten, meinen Namen nicht abzudrucken. Das ist kein Problem. Und ich habe auch den einen oder anderen Freund – Polizisten, die mir Schutz bieten würden, wenn es hart auf hart kommt.«
    Die junge Frau sah, wie er in die Tasche griff, einen Schlüsselbund herausholte und damit spielte. Rudi Hernandez war ein attraktiver Mann. Er lächelte gern, als wäre das Leben ein einziger Witz. Sein braunes Haar trug er fransenartig in die Stirn gekämmt, und dieser Pony ließ ihn jünger aussehen. Selbst die deutlich sichtbare, gezackte
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