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Meade Glenn

Meade Glenn

Titel: Meade Glenn
Autoren: Unternehmen Brandenburg
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Raum, sechs Meter im Quadrat, dessen Boden aus kühlem Marmor bestand.
    Drinnen war es totenstill. Der Angestellte warf einen prüfenden Blick auf die Nummer des Schlüssels in seiner Hand, fuhr mit dem Finger an der Reihe von glänzenden Stahlfächern an einer Wand entlang, fand Tscharkins Safe, öffnete ihn, nahm die Stahlbox heraus und stellte sie auf den polierten Holztisch in der Mitte des Raumes. Er reichte Tscharkin den Schlüssel und zog sich zurück.
    Tscharkin kannte den Ablauf: Er mußte den Knopf auf dem Tisch drücken, wenn er fertig war und wieder nach oben wollte.
    Er sah dem Angestellten zu, der das Gitter schloß und die Marmortreppe hinaufging. Dann war Tscharkin allein.
    In dem Gewölbe war es so kalt und still wie in einem Leichenschauhaus, und Tscharkin schüttelte sich unwillkürlich.
    Bald liege ich auch da, dachte er. Dann sind die Schmerzen vorbei. Er setzte sich an den Tisch, zog die kleine Metallbox zu sich, steckte den Schlüssel in den Schlitz, schloß auf und öffnete den Deckel. Dann griff er hinein und breitete den Inhalt des Safes auf der polierten Tischplatte aus.
    Es war alles da. Die Besitzurkunden über seine Ländereien, die Schlüssel zu seiner Vergangenheit. Er überlegte es sich einen Augenblick anders, schob die Gedanken an das, was vor ihm lag, beiseite und stellte sich vor, noch einmal eine letzte Orgie zu feiern, doch eigentlich gab es nichts mehr, was er hätte auskosten wollen. Der Schmerz machte alles unerträglich, und außerdem hatte er alles ausgiebig genossen, was das Leben an Freuden bot.
    Der todkranke alte Mann packte den Inhalt zu einem ordentlichen Haufen zusammen. Dann steckte er alles in einen der alten, großen Umschläge, in denen sich einige Papiere befunden hatten. Es gab ein recht dickes Bündel ab.
    Anschließend drückte er den Knopf, um den Angestellten zu rufen.
    Bald, dachte Tscharkin, als er die Schritte des Mannes auf der Marmortreppe hörte. Bald ist alles vorbei.
    Er hörte das Klicken des Metallgitters, als er den Deckel des leeren Safes zumachte, ohne ihn zu verschließen. Er ließ den Schlüssel auf dem Tisch liegen, nahm den Umschlag und ging zur Tür.
    Das Haus stand an der Calle Iguazu, in den Randbezirken der Stadt, dem vornehmsten Teil von Asunción. Es war weiß und groß und von hohen Wänden umringt. Von der Straße aus war es kaum zu sehen. Tscharkin öffnete die schmiedeeisernen Tore mit der Fernbedienung, fuhr die geschwungene, asphaltierte Auffahrt hinauf und parkte den Mercedes auf dem kiesbestreuten Vorplatz.
    Sein Butler, ein Mestize, öffnete ihm die Tür, und Tscharkin knurrte zur Begrüßung. Er ging geradewegs in sein getäfeltes Arbeitszimmer und schloß hinter sich die Tür ab. Es war warm.
    Sehr warm. Tscharkin öffnete die beiden obersten Knöpfe an seinem Hemd, während er den sattgrünen Rasen und den makellos gepflegten Garten betrachtete, die Pfefferbüsche und die Palmen. Er besaß mehrere Häuser in Asunción und drei Farmen im Hinterland, im Chaco, aber diese Villa hatte er immer bevorzugt.
    Er setzte sich an den polierten Schreibtisch aus Apfelholz, verteilte den Inhalt des Umschlages auf der glänzenden Platte und musterte den Stapel.
    Zuerst betrachtete er seinen Reisepaß. Nikolas Tscharkin.
    Schön. Nur war er nicht Nikolas Tscharkin. Sein richtiger Name
    … Meine Güte, er hatte ihn beinahe vergessen. Als er ihn aussprach, klang er so fremd und unwirklich, daß er über sich selbst lächeln mußte. Es war ein schwaches Lächeln. Zu lange hatte er Lüge gelebt, fand er, und legte den Reisepaß zur Seite.
    Man hatte ihn einmal in einem halben Dutzend Länder der Erde gesucht. Unter jenem alten, verdrängten Namen hatte er schreckliche Dinge begangen, hatte Menschen unsägliche Schmerzen und einen schrecklichen Tod gebracht. Und nun stellte sich heraus, daß er selbst keine Schmerzen ertragen konnte. Er tadelte sich: Zum Grübeln war jetzt keine Zeit. Tu’s einfach!
    Er sortierte die Unterlagen. Alte, mürbe Papiere, Aufzeichnungen seiner Vergangenheit. Er las sie noch einmal durch. Wie in seinen Alpträumen tauchte alles jetzt wieder auf: das eiskalte Entsetzen auf den Gesichtern seiner Opfer, das Blut, das Gemetzel. Dennoch spürte er keinen Funken von Bedauern.
    Er würde alles wieder tun. Keine Frage.
    Er schob die Unterlagen zur Seite, nahm aus einer Schreibtischschublade einige unbeschriebene Blätter und einen Umschlag und fing an zu schreiben.
    Eine Viertelstunde später war er fertig, klebte den
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