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Make it count - Gefühlsgewitter (German Edition)

Make it count - Gefühlsgewitter (German Edition)

Titel: Make it count - Gefühlsgewitter (German Edition)
Autoren: Ally Taylor
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1. Kapitel 
    Passiert ist es vor knapp drei Wochen. Doch es fühlt sich an wie ein Wimpernschlag. Als hätte sie es mir eben erst gesagt. Ich warte auf die Erkenntnis, auf den Verlust. Auf eine Welle der Tränen. Aber ich spüre es nicht. Ich spüre nichts . Mein Verstand rebelliert gegen die Wahrheit, erstickt die Gedanken, die dem Schmerz die Türen öffnen würden. Irgendetwas in mir scheint noch immer auf sein kehliges Lachen zu warten und auf die Stille, die zwischen uns lag, wenn wir beide in Gedanken versunken waren. Es ist dieses Etwas , das die Augen vor den Tatsachen verschließt. Und doch weiß ich, dass es dieses Lachen nur noch in meinem Kopf gibt. In meinen Erinnerungen, die ich nicht zulassen kann, weil es sonst wahr ist, und er tot. Weil ein Teil in mir sonst aufhört am Leben festzuhalten, aus dem ich doch etwas machen soll. Und während irgendetwas ganz tief in mir langsam und qualvoll erstickt, atme ich ruhig weiter. Die Taubheit sieht zu, dass ich überlebe, während ein Teil in mir stirbt. Sie ist wie ein Wattebausch, der alles leiser erscheinen lässt. Das Leben ist weiter weg. Vielleicht ist es gar nicht mehr da. Es heißt immer, alles geschieht aus einem bestimmten Grund. Manchmal wüsste ich einfach gerne aus welchem.
    „Katie?“ Eine sanfte Stimme durchbricht die Stille und dringt in den Wattebausch. „Bist du so weit?“
    Ihr Anblick katapultiert mich in die Realität. Eine Realität, in der es ihn nicht mehr gibt. In der mein Leben in Form einer schwarzen Reisetasche neben mir steht und darauf wartet, weiterzugehen, während ich nicht bereit dazu bin. Mein Blick schweift durch das leere Zimmer. Den Raum, der vor ein paar Tagen noch mein Reich war, in dem ich Gedanken gewälzt und Bücher gelesen habe, und der nun verlassen ist. Der gute Geist ist ausgezogen und ich befürchte, er wird nie wieder kommen. Das Leben ist weg. Unerreichbar. Es ist mit ihm gegangen. Und ich wünschte, er hätte mich mitgenommen.
    „Katie-Liebes?“
     Mein Blick folgt dem vertrauten Klang. Er wandert emotionslos über ihr schmales Gesicht. Die ausgemergelten Wangen, die roten Flecken, die eingefallenen Augenhöhlen und ihre fahle aufgedunsene Haut. Die Abschürfungen um ihre Stupsnase und die geschwollenen Lider versetzen mir einen dumpfen Schlag, den der Wattebausch jedoch augenblicklich dämpft. 
    Ich atme tief ein, greife nach der Tasche und stehe auf. „Ich bin so weit.“
    „Was ist mit Nathan und Michelle?“, fragt Mary vorsichtig. „Hast du dich von ihnen verabschiedet?“
    „Ich sterbe nicht, ich ziehe nur um.“
     
    Die schmiedeeisernen Tore öffnen sich. Umgeben von Videokameras und unüberwindbaren Mauern verbirgt sich eine Festung. Ein weit entferntes Königreich einer herzlosen bösen Königin. Wie in den Geschichten, die Dad mir früher vorgelesen hat. Die Erinnerung trifft mich unvermittelt. Wie ein Stromschlag, der mich zu Boden wirft. Ich atme scharf ein. Seine weiche Stimme hallt in meinem Kopf. Ihr Klang bohrt sich in meinen Brustkorb wie ein stumpfer Korkenzieher. Ich versuche am Schmerz vorbei zu atmen, die Kette zu sprengen, die sich eng um meine Brust legt, sehne mich nach der Taubheit, die mich wieder in Watte packt. 
    Ein paar Wochen . Es sind nur ein paar Wochen. Dann steige ich wieder in Dads Pickup und lasse Oceanside für immer hinter mir. Mein Blick fällt auf das rote Blinken der Kamera. Einen Moment zögere ich. So als läge hinter diesen Toren mein persönliches Gefängnis. Eine Hölle, in die ich gerade freiwillig hineinfahre. Kate, es sind nur ein paar Wochen. Bei diesem Gedanken kurble ich seufzend das Fenster hoch und gebe vorsichtig Gas. 
    Penibel getrimmte Buchssträucher, farblich abgestimmte Blumenbeete und alte Laubbäume säumen den Weg, der zu einem herrschaftlichen Anwesen führt. Die Reifen knirschen auf der Kiesauffahrt und das grelle Grün der Wiese schmerzt in meinen Augen, als hätte ich sie zum ersten Mal seit Langem wieder offen. Ich halte an, schalte in P und ziehe den Schlüssel ab. Mit dem alten Pickup meines Dads bleibt auch meine Welt stehen. Ich schließe die Augen und atme tief ein. Ich kann ihn noch riechen. An diesem Geruch hängen unzählige Erinnerungen. Das Vertrauen und die Geborgenheit. Sein kehliges Lachen und dieses wissende Schweigen. Er wusste, wer ich wirklich bin. Jetzt weiß es niemand mehr. Nicht einmal ich. Bald wird der holzige Duft verfliegen. Und mit ihm mein altes Leben. Als der Schmerz sich eiskalt in mir ausbreitet,
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