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mayday mayday ... eastern wings 610

mayday mayday ... eastern wings 610

Titel: mayday mayday ... eastern wings 610
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ihrer Herde zu kontrollieren haben. Die Menschen aber saßen steinern und blickten aus blassen, ergebenen Gesichtern auf die große Stewardeß mit den dunklen Haaren. Nur das ewige, nervenzerreißende Auf- und Abebben der Triebwerke unterbrach die lähmende Stille. Und das Weinen eines Kindes.
    Der Irrsinn wollte kein Ende nehmen. Er stellte jede Regel auf den Kopf. Das Unmögliche war zum Normalfall geworden.
    Im Cockpit kauerte Paul Brückner noch immer über den Schubhebeln. Die kantige Konsole drückte in seinen Magen.
    Sein Hemd war klatschnaß. Seine Augen tränten vom permanenten Starren auf den künstlichen Horizont. Es war ihm, als könnte er auf diese Weise auch die kleinste Reaktion des großen, verletzten Flugzeugkörpers in sich aufnehmen.
    »Wie hoch, Frank?« hörte er Walker fragen.
    »Viertausendsechshundert«, antwortete Frank Heller.
    Viertausendsechshundert Fuß? Das war etwas mehr als eintausendfünfhundert Meter. Lange konnte es nun nicht mehr dauern. Und lange würde er es auch nicht mehr durchstehen. Er spürte, wie die DC-10 erneut die Nase hochnahm. Seine ganze zwanzigjährige Erfahrung sagte ihm Gas wegnehmen, um sie wieder in Abwärtsrichtung zu bringen. Doch was halfen zwanzig Jahre in diesem Fall, was half seine Routine, auf die er so stolz gewesen war? Nichts. Schmeiß alles weg!
    Aus dem Lautsprecher über ihm drang die leise, beruhigende Stimme des Controllers: »Ausgezeichnet, Tom! Haut hin. Jetzt liegt ihr fast genau auf Kurs. Exzellent. Wirklich! Und nochmals: Wir haben nicht nur die Bahn 23, wir haben den halben Platz für euch leergeräumt. Alles ist für euren Empfang vorbereitet. Ihr habt jetzt bald den Outer-Marker vor euch. Alles wunderbar.«
    Alles wunderbar?
    Über ihr Anflugprofil verlor er kein Wort.
    Schon wieder hatte es sich die DC-10 in den Kopf gesetzt, zum Himmel zu steigen, ließ sich nicht davon abbringen. In den letzten vierzig Minuten war jeder Versuch fehlgeschlagen, in einer solchen Phase auf sie einzuwirken, genauso wie alle Mühe, sie in etwa stabil zu halten. Gab er links zuviel Schub, wollte die Kiste nach rechts unten wegtauchen, nahm er das Gas wieder weg, zart nur, sank sie ab, nahm die Nase tief und drohte in eine unkontrollierbare Fluglage zu geraten. Und als ob das nicht reichte, mußte Brückner, statt die Geschwindigkeit nun zu drosseln, noch mehr Gas geben, bis sie sich herabließ, ihre verdammte Nase wieder hochzunehmen.
    Wie jetzt!
    Im Cockpit kannte jeder den Grund für dieses Verhalten: Die beiden intakt gebliebenen Triebwerke lagen hinter dem Schwerpunkt. Und jede Möglichkeit, diese Fehlbelastung durch Steuer und Klappen auszugleichen, war ihnen genommen. So half nur, was in der normalen Fliegerei als verrückt gelten würde: statt die Geschwindigkeit zu drosseln, erst recht Gas zu geben. Solange Gas, bis der Luftstrom sie zwang, die Nase wieder hochzustellen und damit die Fahrt zu verlangsamen. Die Folge war eine Abstiegsbewegung in Form einer mehr oder weniger geradlinigen Achterbahn. Hoch – runter – hoch, eine ständige verrückte Wellenbewegung, aus der sie nicht mehr herauskamen. Hoch, runter …
    »Viertausendzweihundert!« rief Frank Heller.
    Lange würde es nicht mehr dauern.
    »Ihr müßt etwas nach Steuerbord halten.«
    Die Controller-Stimme. »Ein Freund«, hatte Walker zuvor gesagt. Er schien wirklich ›ein Freund‹. Vorsichtig, zentimeterweise bewegte Brückner den Regler.
    »Gut so, Paul. Reicht«, lobte der Kapitän.
    Nun drehte er den Kopf. »Paul, bisher war es eine klasse Leistung. Aber jetzt, jetzt sieht die Sache ein bißchen anders aus … Derjenige, der den Schub regelt, braucht auch Sicht. Wir werden also übernehmen. Ich denke, wir haben noch drei, vier Minuten Zeit. Und ich denke noch was: Die Bude hier vorne ist eine erstrangige Gefahrenzone. Schließlich bist du heute nicht Pilot, sondern Passagier. Tu mir den Gefallen, geh zurück an deinen Platz und schnall dich an. Nochmals, Paul, thanks! Wenn Gott will, trinken wir nachher ein Bier zusammen, ja?«
    Brückner erhob sich, besser, er versuchte es. Doch Kreuz und Muskeln waren derart verkrampft, daß er es kaum schaffte.
    »Ja dann«, sagte er und hob die Hand. »Macht's gut!«
    Nun erlebte er, wie es für die Passagiere in der Kabine war.
    Alle bisherigen Krisensituationen hatte er in der Kanzel durchgestanden, den Blick nach draußen oder auf die Instrumente, die ihm sagten, was schiefgegangen war und was man noch tun konnte.
    Doch als er in die Kabine kam,
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