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Maximum Trouble

Maximum Trouble

Titel: Maximum Trouble
Autoren: Hen Hermanns
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Latino-Temperament, der die ihm fehlende italienische Leichtigkeit durch das dunklere, schwerere spanische Element wettmachte. War Pavarotti der Chianti, dann war Carreras der Rioja. Und Placido Domingo war der lyrische, der heroische Tenor, mit seinem stimmlichen Zentrum deutlich unter dem Pavarottis gelegen, aber dafür imstande, sich an den Lohengrin oder Parzival zu wagen, Rollen, denen Pavarotti unter allen Umständen aus dem Weg gehen mußte. Aber was war das alles gegen die Technik, die abwechslungsreiche, farbenprächtige, geradezu delikate Phrasierung, die Attacke und das Stilgefühl von Carlo Bergonzi? War Carlo nicht in Wirklichkeit der authentischste Verdi-Stilist?

    Während ich mir den Kopf über dieses Dilemma zerbrach, bereitete ich eine »Pasta The Day After« vor. Wichtigstes Grundelement dieser Kreation ist, wie der Name schon sagt, der Vortag. An dem nämlich muß folgendes passiert sein: Man hat ein Kaninchen in einem großen Schmortopf zusammen mit gehackten Zwiebeln goldbraun gebraten. Dann hat man kleingehackten Knoblauch und Petersilie dazugegeben, dreiviertel Liter kochende Rinderbrühe darübergegossen, den Deckel aufgesetzt und das Ganze bei 180 Grad 20 Minuten im Backofen gegart. Dann hat man ein gutes Kilo in dünne Scheiben geschnittene Kartoffeln dazugegeben und alles mit geschlossenem Deckel eine Stunde gegart, den Deckel dann entfernt und den Backofen auf 220 Grad erhitzt, um die Kartoffeln zu bräunen. Anschließend hat man das alles mit Hilfe eines erstklassigen Rotweins und ein paar netter Leute aufgeputzt, allerdings - und hier wird es ganz wichtig — einiges an Sauce, Kartoffeln und Fleisch übriggelassen. Diese Reste eben bilden dann die Grundlage für die »Pasta The Day After«. Man stellt den Schmortopf mit den Resten einfach auf die Herdplatte, erhitzt alles, schneidet das Fleisch in kleine Stückchen, zermanscht die Kartoffeln und wirft dann frisch gekochte Spaghetti in den Schmortopf und vermischt alles zu einem äußerst unansehnlichen, aber himmlisch schmeckenden Haufen, der dann nur noch mit einem guten Parmesan bestreut werden muß. Wenn man dann auch noch einen sehr kalten Chardonnay im Glas, Carlo Bergonzi im Hintergrund und gegenüber eine kurzsichtige Geliebte mit einer schwarzen Hornbrille hat, der immer eine blonde Strähne ins Gesicht fällt, dann beginnt man ernsthaft mit dem Gedanken zu spielen, daß das Leben gar nicht so schlecht ist.

    Inzwischen sprudelte das Wasser auf dem Herd, und ich gab die Spaghetti hinein. Und dann kam auch schon Alwine und sprudelte über von Erlebnissen mit unverschämten Café-Gästen. Als ich bereits zwei Teller Pasta in mich hineingeschaufelt hatte, war ihr erster noch so gut wie unberührt.
    »Du brauchst dringend Urlaub«, sagte ich. »Wie wär’s mit zwei Wochen Toscana auf Kosten des Hauses?«
    Alwine schüttelte den Kopf.
    »Portugal? Südfrankreich?«
    »Ich brauche ein Engagement, das ist alles.«
    »Schon engagiert«, sagte ich, »du spielst die Geliebte eines Privatdetektivs. Der Plot ist zwar einfach gestrickt, aber er hat alles, um zu einem Publikumserfolg zu werden. Es geht darum, daß die beiden tagsüber gut essen und relaxen, und nachts setzen sie dann die Bettlaken in Flammen.«
    »Und die Gage?«
    »Das entscheiden wir am besten nach den Probeaufnahmen.«
    »Ach so. Und die sind wahrscheinlich jetzt gleich. Vor oder nach dem Espresso?«
    »Achtung Aufnahme!« rief ich. »Sheets on Fire, die Erste!«

3.

    Alarmiert ist vielleicht nicht das richtige Wort. Aber ein bißchen beunruhigt war ich schon darüber, wie leicht ich den Fall des gekidnappten Werbespots gelöst hatte. Routine habe ich nie besonders gemocht. Routine macht nicht nur träge und selbstherrlich, sie macht auch unvorsichtig. Und sie langweilt entsetzlich. Ich hatte schon diverse andere Berufe aus Routinegründen aufgegeben, aber dieser hier sollte mein letzter sein. Ich hatte keine Lust, noch mal was Neues anzufangen. In meinem Büro zog ich mir zwei Frühstücks-Croissants rein, und danach zog ich eine Bilanz. Meinen ersten großen Fall hatte ich mehr oder weniger zufällig gelöst. Immerhin waren dabei drei Leichen auf der Strecke geblieben. Die hatte ich zwar nicht direkt auf dem Gewissen, aber so ganz unbeteiligt war ich an diesem Drama auch nicht gewesen. Als Eigenwerbung konnte ich den Fall jedenfalls nicht unbedingt benutzen. Was blieb, waren durchschnittliche Detektivjobs, die am Anfang noch ganz spannend waren, aber letztlich doch
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