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Maximum Trouble

Maximum Trouble

Titel: Maximum Trouble
Autoren: Hen Hermanns
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parkende Autos und hat eine Schramme auf der linken Wange. Komisch, nicht? Müßte die nicht auf der rechten Seite sein? Und müßte die nicht etwas anders aussehen, als wäre sie fein säuberlich mit einer Rasierklinge eingeritzt? Der ist niemals überfallen worden. Der hat mit euch zusammengearbeitet. Der wußte schließlich nicht, was er da bei Freddie Bruhns abgeholt hat. Ihr habt ihn irgendwo aufgehalten und ihn überredet, dieses kleine Geschäft mit euch zu machen. Stimmt’s?«
    »Wie wollen Sie das denn beweisen?«
    Ich knallte ihm noch eine. Diesmal flog die Brille runter. »Zeig mir dein Büro, jetzt reicht’s mir langsam.«
    Er zeigte es mir. Noch mehr Memphis-Krempel und noch mehr eingerahmte Miller&Miller-Machwerke. Und auf dem Schreibtisch ein Köfferchen, das mir reichlich bekannt vorkam.
    Ich öffnete es und warf einen kurzen Blick rein. Ein kleiner Zettel lag auf einem der Geldbündel. »Verreck dran«, stand darauf in einer feinen Schrift, die ein Laserdrucker ausgespuckt haben mußte. Freddie Bruhns war schon immer ein wenig pathetisch gewesen.
    »Na also«, sagte ich.
    »Wir können Halbe-Halbe machen«, sagte Müller.
    »Wir können höchstens darüber reden, daß die Branche nichts von deinen Eskapaden erfährt, du halbe Portion. Was ist dir das wert?«
    Er schaute auf seine Uhr.
    »Dringender Termin?« fragte ich. »Dann laß es uns ganz kurz machen. Erstens: Warum das Ganze? Zweitens: Antwort sofort, sonst gibt es drittens noch eine Watsche.«
    Ich habe die Erfahrung gemacht, daß Watschen viel mehr Wirkung als Faustschläge zeigen. Faustschläge tun nur weh. Watschen erniedrigen und machen dadurch viel mehr Angst. »Bruhns ist in finanziellen Schwierigkeiten. Aber er hat einen guten Laden, und wir könnten uns einkaufen, wenn er am Ende ist.«
    »Sehr gut, Müllerchen, schön knapp und stringent erzählt. Tell the story in one line. Klasse. Und jetzt her mit deiner Rolex.«
    Er zog die Uhr widerstandslos vom Handgelenk und gab sie mir.
    »Sogar mit kleinen Brillis! Müller! Wenn das Neville Brody sehen würde. Du hast ja einen richtigen Zuhältergeschmack.«
    »Bitte sagen Sie niemand was von dieser Sache.«
    »Wenn du mir versprichst, ab heute immer schön brav zu sein. Aber wehe, ich höre noch mal was von Böse-Buben-Streichen. Dann steht alles sofort in >Werben&Verkaufen< und im >Kontakter<. Klar?«

    Zwanzig Minuten später öffnete Freddie Bruhns in der Cafeteria eine Flasche Champagner. Er war vor Glück außer sich. Er hatte sich die Cassette angesehen und sie als Original identifiziert. Und als ich ihm sein Geldköfferchen in die Hand gedrückt hatte, waren ihm die Tränen gekommen. Ich trank ein Glas mit ihm und verdrückte mich, bevor er mir eine Partnerschaft in seinem Studio oder eine seiner Empfangsdamen anbieten konnte. Die Müller-Brüder erwähnte ich mit keinem Wort. Versprochen war versprochen.

    Auf der Südbrücke hielt ich an, schaltete die Warnblinkanlage ein und stieg aus. Es war ein wunderbarer Abend mit einem klaren Himmel, der einen schönen neuen Tag versprach. Ich lehnte mich ans Brückengeländer und sah auf den Rhein hinunter, der sich um nichts weiter scherte, als der Nordsee entgegenzufließen. »Suche die Einfachheit, begreife das Wesentliche und vermeide verschwenderische Begierden«, sagte das Tao te king. Ich warf Müllers Rolex in den Fluß und staunte, daß nur so wenige Tropfen für so viel Geld aufspritzten.

2.

    Um zwanzig vor elf war ich wieder zu Hause. Feierabend. Mir war nach einer kleinen Siegesfeier, und ich wählte die Nummer eines Szenecafés in der Südstadt und lud meine Lebensgefährtin zu einem Mitternachts-Gelage ein. Wie jede ernstzunehmende Schauspielerin, die es ablehnte, mit Judy Winter oder Gudrun Landgrebe in ZDF-Serien aufzutreten, mußte sie ihr Einkommen durch einen Kellner-Job verbessern, bis endlich der Anruf aus Bochum oder Hollywood kommen würde. Ein Anruf aus Nippes war im Moment aber auch o.k. und sie sagte zu.

    Aus dem Sony-Brüllschränkchen in meiner Küche schmetterte der einzigartige Carlo Bergonzi. Zu schade, daß Carlo durch das ewige Pavarotti-Domingo-Carreras-Geschrummel so schnöde in Vergessenheit geriet. Gut, da war das unvergleichliche Timbre, die italienische Farbe, das geradezu olivenölige von Luciano Pavarotti, dieser menschlichen Trompete, die ihre brillante deklamatorische Qualität in der »Nessun-Dorma«-Arie so souverän zum Ausdruck brachte. Schön, da war José Carreras mit seinem
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