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Max, mein Großvater und ich

Max, mein Großvater und ich

Titel: Max, mein Großvater und ich
Autoren: Audrey Couloumbis
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müsse unbedingt wissen, welche Verwandten sie anrufen könne. Und ob meine Ma irgendwelche Allergien oder Krankheiten hätte, über die sie Bescheid wissen sollten?
    » Kann Ma Ihnen das nicht selber sagen?«
    » Sie hat ein Sedativ bekommen.«
    » Was ist das?«
    » Ein einschläferndes Mittel«.
    » Einschläfernd?« Ich sprang auf.
    Ma hatte letztes Jahr unsere Katze einschläfern lassen, weil sie alt und krank war. Ma war aber keins von beidem. Tränen liefen mir übers Gesicht. Wahrscheinlich sah ich wie ein Baby aus, aber das war mir egal.
    » Und ich hab nicht mal mehr mit ihr reden können!«
    Das Verrückte ist, wenn dir jemand erzählt, deine Ma ist tot, würde man doch denken, man reagiert wie die Leute in irgendwelchen Filmen und es würde einem das Herz brechen.
    Doch mein Herz war wie erstarrt. Meine Stimme versagte, und es fühlte sich eher so an, als würde mir der Kiefer brechen. Mein Mund stand weit offen. Aber ich blieb stumm und konnte ihn einfach nicht mehr zumachen.
    So hatte ich noch nie im Leben geweint.
    Miss Sahara lächelte immer noch und zählte Krankheiten auf, von denen ich noch nie gehört hatte. Ein Typ im weißen Kittel– vielleicht ein Arzt, der es aber nicht besonders eilig zu haben schien– kam her und sagte: » Was ist denn hier los?«
    Sie lächelte nur noch breiter und meinte: » Ich versuch ihm alles zu erklären. Wir hatten hier nur eine kleine Nervenkrise.«
    » Und ich hab gedacht«, schluchzte ich, » es ist nur ein gebrochenes Bein!«
    Meine Stimme klang so heiser, dass man wahrscheinlich gar nicht verstand, was ich sagte. Miss Sahara sah weg und unterhielt sich leise mit dem Mann, als wäre ich rausgegangen. » Seine Mutter ist die Torsionsfraktur. Keine Handtasche, und nicht mehr ansprechbar.«
    » Okay, Kleiner, atme mal tief durch. Ganz tief«, sagte der Mann. Ich las sein Namensschild: Stan. Stan der Fan, das hatte ich mal irgendwo gelesen. » Alles wird gut. Warst du heute mit deiner Ma allein unterwegs?«
    Ich versuchte, tief Luft zu holen, richtig, nicht wie beim Weinen. Es war ein Gefühl, als würde mir jemand den Brustkorb einschnüren.
    » Einfach Kopf schütteln oder nicken.«
    Ich nickte.
    » Dein Dad zu Hause?«
    Nein.
    » Hast du eine Großmutter oder einen Großvater?«
    Ja. Einen Großvater.
    Den hatte ich aber nie kennen gelernt. Ich hab immer nur an Weihnachten und an meinem Geburtstag mit ihm telefoniert, das war alles.
    Während ich Stan antwortete, entspannte sich langsam mein Kiefer. Wahrscheinlich bemerkte er das, denn jetzt setzte er sich hin und wartete, bis ich wieder reden konnte. » Sie hatte sich doch bloß das Bein gebrochen«, sagte ich schließlich.
    Miss Sahara lächelte eine Idee weniger, gerade so viel, dass es aussah, als hätte ich etwas sehr Dummes gesagt. » Eine Torsionsfraktur ist…«
    » …so was Ähnliches wie ein gebrochenes Bein«, sagte Stan.
    » Aber das kann man doch richten!«, meinte ich. » Man hätte sie doch nicht gleich einschläfern müssen!«
    Diesmal sah Stan aus, als hätte jemand etwas sehr Dummes gesagt. Allerdings guckte er nicht mich an, sondern Miss Sahara, die knallrot wurde.
    » Deine Ma ist bald wieder okay«, sagte er zu mir. » Der Arzt hat ihr etwas zum Einschlafen gegeben, damit sie nicht so große Schmerzen leidet.«
    » Sie ist also gar nicht tot?«
    » Natürlich nicht«, sagte Stan. » Schläft wie ein satter Säugling. Allerdings wird sie operiert werden. Miss Sahara muss dir nur die Fragen stellen, die deine Ma gerade nicht beantworten kann.«
    Die Tränen versiegten nicht. Sie schossen mir nur so aus den Augen, bis ich gar nichts mehr sehen konnte. Mein Gesicht fühlte sich ganz zerknittert an. Ich atmete schneller.
    » Ist ja gut, ist ja gut » , sagte Stan. » Deine Ma ist okay. Jedenfalls wird sie bald wieder okay sein.«
    Es dauerte einen Moment, aber dann wusste ich, dass er recht hatte. Ich hörte auf zu weinen und konnte wieder so atmen wie sonst. Stan sah mich an, als würde er mich schon länger kennen; das hörte sich vielleicht komisch an, war aber ein gutes Gefühl.
    Ich sah Miss Sahara an. Sie hatte immer noch dieses ätzende Lächeln im Gesicht.
    » Also«, sagte sie, und es klang, als ahme sie einen zwitschernden Vogel nach. » Nimmt deine Mutter irgendwelche Medikamente?«
    » Manchmal Aspirin.«
    » Gibt es etwas, von dem sie Ausschlag bekommt?«
    » Wenn sie Mango isst, sieht sie aus wie ein Kugelfisch.«
    » Mangos«, sagte sie, als seien das gute Neuigkeiten. Sie
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