Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Max, mein Großvater und ich

Max, mein Großvater und ich

Titel: Max, mein Großvater und ich
Autoren: Audrey Couloumbis
Vom Netzwerk:
Laden standen.
    In letzter Zeit duftete es immer wie in einem Fichtenwald, wenn man Brot kaufen geht. Ein Weihnachtsmann klingelte mit seiner Glocke und sammelte Geld für den Hundezwinger im Tierheim. Weihnachten gab es offenbar sogar für Hunde.
    Beim Rauskommen, waren wir wieder durch den Fichtenwald gelaufen. Ich hatte Ma weiter wegen des Weihnachtsgeschenks gelöchert.
    Während wir über den vereisten Parkplatz geschlittert waren, hatte sie den Rest des Tages geplant.
    Einkaufen, einkaufen und noch mal einkaufen.
    Als wir den Wagen erreicht hatten, musste ich den Einkaufswagen über eine Eiskante stemmen. Das schaffte ich allein. Karate hat mich stark gemacht. Ich sagte: » Ich bin alt genug, um allein zu Hause zu bleiben, das weißt du hoffentlich.«
    Ma sagte: » Keine Chance. Wer soll denn die Sachen in den Wagen la…«, und die Türverriegelung ging auf. Den Rest ihrer Worte hörte ich nicht mehr, weil der Einkaufswagen über den letzten vereisten Höcker rumpelte.
    Ich lud den Einkaufswagen aus und verstaute alles auf dem Boden zwischen Rückbank und Vordersitzen. Es dauerte fünf Minuten, wahrscheinlich kürzer.
    » Ma?«, sagte ich, als ich fertig war, und sah mich um.
    Ich konnte sie nirgends entdecken.
    » Ma!«, brüllte ich. » Ma?«
    Eine alte Dame, die hinter ihrem Einkaufswagen herschlitterte, sah zu mir her. Als ich » Ma!« schrie, rief sie etwas und zeigte zum Wagen. Auf die andere Seite, also rannte ich– schlitterte ich– ums Auto herum.
    Ma war auf dem Eis gestürzt.
    Sie lag halb unter den Wagen gerutscht. Sie war kreidebleich, fast so weiß wie das Eis, und ihr Gesicht war verzerrt, wie ich es noch nie an ihr gesehen hatte.
    Auf dieser Seite des Wagens war es viel rutschiger. Das Eis war angetaut, als hätte dort jemand etwas verschüttet. Bevor ich ganz bei Ma angekommen war, fiel ich auf den Hintern.
    Ich spürte es kaum. Eine Sekunde lang wurde alles schwarz.
    Das hab ich mal jemanden in einem Film sagen hören. Ich hatte mir das vorgestellt wie Suzies Dunkelkammer, in der sie ihre Filme entwickelt. Wenn das Licht ausgeht, hat man noch ein bis zwei Sekunden lang ein kleines bisschen Licht im Gedächtnis, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen.
    Aber so war es nicht.
    Es wurde so schnell absolut zappenduster, dass es mir erst bewusst wurde, als das Licht in meinem Kopf wieder anging.
    Als ich mich hochrappelte, war ich wie betäubt; konnte mich nur in Zeitlupe bewegen. Irgendwas tat mir weh. Ich wusste nicht, was, und hatte auch keine Lust, darüber nachzudenken.
    Ma hatte sich nicht gerührt. Die alte Dame schrie die ganze Zeit weiter. Das fand ich gut.
    Als ich schließlich, auf den Knien rutschend, bei meiner Ma angekommen war, traf schon Hilfe ein. Der Weihnachtsmann. Und dann noch vier oder fünf Leute.
    » Ma«, sagte ich. Ich legte meine Hand auf ihre Hände, weil ich ja nicht genau wusste, wo sie verletzt war, oder ob ich es durch irgendwas verschlimmern konnte. Sie umklammerte meine Hand. Bis jetzt hatte sie kein Wort gesprochen. Ich hob den Kopf und sagte: » Sie ist verletzt.«
    » Jemand soll den Krankenwagen rufen«, sagte ein Mann im Arbeitskittel.
    » Ma«, wiederholte ich. Mehr brachte ich nicht raus. Ich dachte eine Weile nach. Wieder und wieder. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen, versuchte nur zu kapieren, was gerade passierte.
    Ma macht sich immer Sorgen, dass mir etwas zustoßen könnte. Sie spricht es nicht aus. Aber wenn sie kurz zögert, bevor sie mich mit Tante Ginny zum Felsenklettern lässt, und hinzufügt: » Pass auf dich auf«, merke ich, dass sie sich Sorgen macht. Ich merk es auch daran, dass sie mir kein Fahrrad kaufen will.
    Und jetzt begriff ich, wie es war, wenn jemandem etwas zustößt, den man liebt. Ich war da gewesen, als es passierte, und hatte es trotzdem minutenlang nicht bemerkt. Und ich konnte nichts tun, um ihr zu helfen.
    Es kamen noch mehr Leute, unter anderem eine Frau mit einem weinenden Baby auf dem Arm. Das Baby weinte die ganze Zeit, aber die Mutter achtete gar nicht darauf.
    Als mit heulender Sirene der Krankenwagen angerast kam, brauchte ich erst mal einen Moment, um zu kapieren, was jetzt anders war.
    Die alte Dame, die als Erste entdeckt hatte, dass Ma gestürzt war, sagte sehr laut: » Jetzt, wo Hilfe da ist, bin ich beruhigt und werde gehen.« Sie wandte sich an die Frau mit dem weinenden Baby und sagte noch lauter: » Und ich empfehle Ihnen, das Gleiche zu tun, damit sich die Sanitäter konzentrieren können.«
    Ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher