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Max, mein Großvater und ich

Max, mein Großvater und ich

Titel: Max, mein Großvater und ich
Autoren: Audrey Couloumbis
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wäre der alten Dame am liebsten um den Hals gefallen.
    ***

Kapitel zwei
    Die Sanitäter sagten, das Bein sei tatsächlich gebrochen. Sie ließen mich vorn im Krankenwagen mitfahren, wie einen Copiloten. Der eigentliche Copilot saß hinten bei Ma, also dort, wo lieber ich gesessen hätte.
    Glaub ich jedenfalls.
    Ma hatte laut zu stöhnen begonnen, und mir wurde ganz schlecht, obwohl ich vorne saß. Der Pilot– oder vielmehr der Fahrer– versuchte mich abzulenken.
    » Was ist dein Lieblingssport?«, fragte er zum Beispiel.
    Mir fiel kein Sport ein. Ich starrte ihn an. Er trug so eine Strickmütze, wo hinten der Bommel runterhängt. Wenn ich so eine Mütze aufsetzen würde, gäb’s auf dem Schulhof Prügel.
    Wir fuhren mit heulender Sirene durch einen belebten Stadtteil. Zwischen den Straßenlampen hingen kleine Weihnachtsfähnchen und grünes Lametta. Die Autos fuhren an den Straßenrand, um uns vorbeizulassen.
    Während uns von dem Lärm der Kopf schwirrte, drehte der Fahrer grinsend den Kopf zu mir her, wie dieser Irre in dem Gruselfilm, den ich mal bei Matthew zu Hause gesehen habe. Er hatte sogar die gleichen spitz zulaufenden Augenbrauen.
    Er sah auf keinen Fall aus wie jemand, von dem sich Ma mit mir irgendwo hinfahren lassen würde. Mit wäre es fast lieber gewesen, er hätte hinten gesessen. Aber Ma hatte schon genug Probleme, auch ohne dass er neben ihr saß.
    Als er vor der Klinik hielt, sagte er: » Tolle Fahrt, oder?«
    Klar, er versuchte, mich aufzumuntern. Es funktionierte nur nicht. Ich stieg aus und rannte um den Krankenwagen rum.
    Auf diesem Parkplatz lag kein Eis, deshalb konnten sie Ma ganz leicht aus dem Wagen heben und auf einem Bett mit Rollen ins Haus schieben. Eine fahrbare Krankenbahre nannten sie das.
    Im Krankenhaus ging es noch lauter zu. Quietschende Räder. Ein Arzt schrie uns alle möglichen Fragen entgegen. Die Sanitäter schrien zurück. Jemand weinte. Ma?
    Leute eilten hektisch durch den Gang. Ich rannte hinter der Krankenbahre her, bis jemand direkt vor meiner Nase einen Vorhang zuzog. » Da muss sie jetzt alleine durch«, sagte der Krankenwagenfahrer.
    Das klang gar nicht gut.
    Er führte mich zur Rezeption und sagte: » Ich muss den Wagen wegfahren.«
    Er bat eine Frau, sich um mich zu kümmern. Sie bellte ihre Fragen wie ein Seehund: » Kannst du deinen Dad anrufen? Wo wohnst du? Wie alt ist deine Mutter? Bei welcher Versicherung ist sie? Wie heißt ihr Arzt? Welche Verwandten kannst du im Notfall erreichen?«
    » Keine Ahnung«, sagte ich. Aber irgendwie konnte das nicht stimmen. Ich wusste doch wahrscheinlich, zu welchem Arzt Ma ging. Im Grunde kannte ich alle Adressen, an die sie Überweisungsschecks schickte, denn Ma führte beim Ausfüllen meistens Selbstgespräche. Aber mir fiel kein einziger Name mehr ein. Mein Hirn war wie leer gefegt, wie ein Computer, der darauf wartet, dass jemand einen Bildschirmschoner installiert.
    Der andere Sanitäter kam und sagte: » Sie haben deine Muter nach oben gebracht. Du solltest auch rauffahren.«
    Er schob mich in den Aufzug. » Du steigst im zehnten Stock aus«, sagte er und drückte auf den Knopf mit der Zehn, als könnte ich das nicht selber.
    Andere Leute stiegen im dritten Stock aus und im vierten und im siebten und neunten. Da es Patienten waren, sahen sie ganz anders aus als Leute, denen man sonst so im Aufzug begegnet. Ich versuchte sie nicht anzustarren, die Kranken, denen Plastikschläuche an den Armen klebten oder die im Rollstuhl saßen.
    Am Ende war ich froh, dass er den Knopf gedrückt hatte, damit ich auch wirklich im zehnten Stock ausstieg.
    An der Rezeption sagte ich: » Kann ich zu meiner Ma? Man hat sie gerade hierhergebracht.«
    » Setz dich da drüben hin«, erwiderte eine Krankenschwester.
    Es lief Weihnachtsmusik. Sie klang irgendwie zu langsam, als ob das Gerät frische Batterien brauchte.
    Ich hätte natürlich aus dem Fenster schauen können. Aber ich saß bloß da, merkte, dass mir immer noch der Hintern wehtat (als spielte das eine Rolle), und kaute mir die Fingernägel ab. Ma hasst Nägelkauen. Aber im Moment war es ihr sicher ziemlich egal.
    Nach einer Weile kam eine andere Frau zu mir. Keine Krankenschwester. Sie trug Rock und Pullover, als arbeite sie im Büro. Sie sagte, sie heiße Miss Sahara, wie die Wüste. Das sollte wohl witzig sein, aber mir war nicht zum Lächeln zumute. Außerdem lächelte sie genug für uns beide.
    Miss Sahara sagte, die Sache mit der Versicherung könne warten, aber sie
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