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Masala Highway

Titel: Masala Highway
Autoren: Gabriel A Neumann
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Preiserhöhung automatisch zum Politikum, was vermutlich der Hauptgrund ist, warum die indische Bahn wohl immer ein Zuschussbetrieb im Staatsbesitz bleiben wird.
    Wegen der Beliebtheit der Bahn in allen Schichten der Bevölkerung sind Zugreisen eine sehr gute Methode, um Indien näher kennenzulernen. Vielleicht liegt es daran, dass man als Bahnfahrer gezwungen ist, sich mit dem Land und den Leuten länger und manchmal hautnah auseinanderzusetzen. Zwölfstündige Bahnfahrten kommen im deutschsprachigen Raum fahrplanmäßig nur vor, wenn man sich auf Regionalzüge beschränkt. Auf indischen Gleisen gehören solche Reisezeiten fast noch zu den Kurzstrecken. Denn es geht auch länger: Von Madras bis nach Delhi braucht man mit dem Zug beispielsweise zwei Tage.
    Die Länge der Reisedauer ist nicht der einzige Unterschied zum mitteleuropäischen Bahnverkehr. Die Reise selbst wird zum Erlebnis. Das liegt nicht so sehr an den Zügen, denn die ähneln denen in Mitteleuropa mehr als früher. Die Waggons der Rajdhani-Expresszüge, die modernsten der indischen Bahn, sind einem deutschen Intercity recht ähnlich. Einfachere Züge ohne Klimatisierung haben Fenster, die sich öffnen lassen, aber aus Sicherheitsgründen vergittert sind. Doch schon lange reisen keine Passagiere mehr auf Waggondächern mit: Szenen wie in Richard Attenboroughs „Gandhi“ gibt es nicht mehr. Dampflokomotiven pusteten noch bis in die Neunziger Jahre ihren Qualm durch die Bahnhöfe, die Bahn setzte sie aber nur noch im Güterverkehr ein. Heute sind die Dampfrösser von den normalen Strecken ganz verschwunden, meistens ziehen nun Diesellokomotiven die Züge. Elektrische Leitungen über Gleisen, wie sie auf Deutschlands Fernstrecken üblich sind, sieht man in Indien sehr selten.
    Doch gleich welchen Standards sie sind – in indischen Zügen habe ich viel mehr als in Europa das Gefühl, auf Reisen zu sein und nicht nur im Zustand der Fortbewegung. Man kommt mit sehr vielen Menschen in Kontakt – angefangen mit dem Schaffner. Einen Platz in einem Nachtzug erhält man nur mit Reservierung. Namen der Passagiere und Platznummern stehen bei der Abfahrt auf einer Liste, die neben der Wagentür klebt, und jeder Wagen verfügt über jemanden in Uniform, der dafür sorgt, dass nur die hereinkommen, die gebucht haben. Zumindest in der ersten Klasse – in der zweiten wird weniger streng geprüft. Auf der Fahrt ist der Schaffner dann dafür zuständig – in welchem Umfang, hängt mit der gebuchten Klasse zusammen – die Passagiere mit frischen Bettlaken, Essen und Getränken zu versorgen.
    Wagenklassen gibt es viele. Außer einer ersten, einer zweiten und einer dritten Klasse gibt es – mit Unterschieden bei den verschiedenen Zugformen, den Express-, Nacht- und Tagzügen – noch weitere Unterteilungen: Beispielsweise werden Großraumwagen mit Sitzen oder Abteilwagen mit Liegen angeboten. Diese sind gestaffelt in Einzelabteile sowie in solche, deren Liegen in zwei oder drei Stöcken (two- oder threetier) übereinander angeordnet sind. Preislich macht es einen großen Unterschied, ob ein Wagen klimatisiert ist oder durch Ventilatoren gekühlt wird. Hinsichtlich der Reiseerfahrung auch. Welche Klasse ich wähle, mache ich daher nicht vom Preis abhängig, denn selbst die teureren Klassen sind, verglichen mit europäischen Preisen, günstig. Entscheidend ist für mich, wie gesund ich mich vor Reiseantritt fühle und wie viel Lust auf Abenteuer ich habe.
    Normalerweise buche ich „Second class three-tier Non-AC“-Wagen, in denen ich viel lieber als in klimatisierten Waggons reise. Zumal der Unterschied zwischen erster und zweiter Klasse wenig über die Unterhaltsamkeit der Mitreisenden aussagt: Freilich haben viele der Reisenden in der Ersten ein besseres Einkommen – aber der Inhalt der Geldbörse sagt über Fremdsprachenkenntnisse und Manieren ihres Besitzers so wenig aus wie bei uns.
    Viele Zugverbindungen sind schon auf Wochen ausgebucht. Damit Touristen, die nicht langfristig planen können, eine Chance haben, trotzdem Tickets zu ergattern, sind für sie Kontingente von ein paar Karten pro Zug reserviert. Ich habe mich oft gefreut, auf diese Weise auch noch wenige Tage vor meinem Reistermin ein Ticket zu bekommen. Doch wenn ich aus dem normalen Kartenpool eine Fahrkarte bekommen kann, ziehe ich das einem Touri-Ticket vor. Die kontingentierten Tickets haben nämlich einen großen Nachteil: Man landet mit den anderen Ausländern des Zuges in einem Abteil. In
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