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Mary, Tansey und die Reise durch die Nacht

Mary, Tansey und die Reise durch die Nacht

Titel: Mary, Tansey und die Reise durch die Nacht
Autoren: R Doyle
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Parkplatzes. Vor der Tür blieb sie stehen, schimmerte und verschwand.
    »Omeingott! Das ist dermaßen cool!«
    Scarlett und Emer standen gegen den Wagen gelehnt und schauten aufs Meer, während Mary darauf wartete, dass Tansey durch die Ladentür zurückkam.
    Aber Tansey kam nicht durch die Tür. Es war immer noch dunkel, doch Mary sah etwas auf dem Dach des Ladens. Vier weiße Dinger kamen aus dem Schornstein, gefolgt von – jetzt erkannte sie es – zwei Händen und zwei Armen, den Ellbogen, einem Kopf und den Schultern. Es war Tansey, und für einen Augenblick sah sie aus wie die Freiheitsstatue, die vier Fackeln anstelle von nur einer emporhob.
    »Omeingott.«
    Tansey stieg auf den Rand des Schornsteins, dann davon herunter, und glitt über das Dach nach unten. Sie schien sogar die Hauswand bis zum Boden hinunterzugleiten. Mary beobachtete, wie sie sich dem Wagen näherte.
    »Warum hast du diesen Weg genommen?«, fragte Mary.
    »Ich selber hätte es durch die Tür geschafft, weil ich, na ja, nicht wirklich echt bin, schätze ich, und weil ich es nun mal kann. Wenn es nicht nötig ist, habe ich keine Substanz. Aber die Eiskrem ist fest, jedenfalls noch für ein paar Minuten, bevor sie schmilzt. Deshalb konnte ich sie nicht durch die Tür kriegen. Nur durch den Kamin.«
    »Da klebt jetzt kein Ruß an den Hörnchen, oder?«
    »Nur auf meinem«, sagte Tansey. »Und ich esse meins nicht. Ich hab es nur mitgenommen, um euch Gesellschaft zu leisten.«
    Sie verteilte die Hörnchen und sie setzten sich gegen die Motorhaube des Wagens und schauten noch eine Weile über die See, bis Emer so weit war.
    »Das war großartig«, sagte Emer. »Stellt euch bloß vor. Meine Mutter hat ein Eis für mich geklaut.«
    »Ich habe es nicht gestohlen, Emer«, sagte Tansey.
    »Ach, es ist der Gedanke, der zählt«, sagte Emer.

Bis sie endlich beim Krankenhaus ankamen, stemmte der beginnende Tag sich schon der Nacht entgegen. Scarlett hielt den Wagen direkt vorm Eingang an, als es gerade zu regnen begann.
    Draußen vor dem Krankenhaus stand niemand. Es war, als läge die ganze Welt noch in Schlaf. Mary mochte das. So spät – so früh – war sie noch nie wach gewesen.
    »Komm jetzt, Mary!«, sagte Scarlett.
    Sie öffnete ihre Tür und stieg aus.
    Mary verstand sofort: Sie würden Tansey und Emer noch eine Weile allein für sich geben, bevor Emer zurück in ihr Bett ging. Sie stieg aus dem Wagen und folgte Scarlett zum Unterstand an der Bushaltestelle.
    Dort standen sie und lauschten, wie der Regen auf das Plastikdach trommelte.
    »Es ist kalt«, sagte Mary.
    »Ja.«
    »Es ist traurig.«
    »Ja, das ist es«, sagte Scarlett. »Aber es ist auch – ich weiß nicht – es ist auch wundervoll. Findest du nicht?«
    »Ja«, sagte Mary. »Deshalb bleibt es aber trotzdem traurig.«
    »Ich weiß.«
    Drinnen im Wagen sagten Tansey und Emer für eine ganze Weile gar nichts. Sie schauten hinaus in den Regen, bis er immer stärker fiel und man nichts mehr sehen konnte.
    »Sie werden nass werden«, sagte Tansey.
    »Und nicht zu knapp.«
    »Jetzt aber!«
    Sie lachten, aber nur ein wenig.
    »Dieses Gefühl von Regen«, sagte Emer. »Auf deiner Haut. Du lernst es erst zu schätzen, wenn es dir bald genommen wird.«
    »Es ist nicht alles deshalb großartig, nur weil man es bald nicht mehr hat«, sagte Tansey. »Du hast nie deine Rübchen gegessen. Du hast immer gesagt, wie sehr du sie hasst.«
    »Tu ich immer noch.«
    »Also wirst du sie auch nicht vermissen.«
    »Bestimmt nicht.«
    »Siehst du.«
    »Aber ich werde es vermissen, sie zu hassen.«
    »Warst du dein ganzes Leben lang so eigenwillig?«
    »Natürlich war ich das.«
    »Braves Mädchen.«
    Eine Weile lang saßen sie schweigend nebeneinander. Der Regen lief die Fenster hinab. Dann wurde er weniger – völlig geräuschlos – und hörte auf. Frühes Sonnenlicht erfüllte den Wagen.
    »Jetzt ist es warm und gemütlich«, sagte Emer.
    »Hast du immer noch Angst, Emer?«, fragte Tansey.
    »Habe ich«, sagte Emer. »Ein bisschen. Aber das ist normal, schätze ich. Oder?«
    »Ja.«
    »Ich will es mal so ausdrücken«, sagte Emer. »Ich habe ein wenig Angst, aber ich mache mir keine Sorgen mehr. Macht das Sinn?«
    »Es macht jede Menge Sinn«, sagte Tansey.
    Mary und Scarlett sahen, wie eine der hinteren Wagentüren aufging – die Tür auf Emers Seite. Sie liefen zum Auto zurück, um ihr beim Aussteigen zu helfen. Emer stand aufrecht und schaute in den Himmel.
    »Das wird ein großartiger Tag«,
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