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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder
Autoren: Bertha von Suttner
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erklärt.«
    »Nein – ich frage, wie ist es gekommen, daß er Dein Herz erobert? Allmählich? Plötzlich? – Welche besondere Eigenschaft hast Du an ihm entdeckt?«
    »Eine besondere Eigenschaft? Irgend eine wahrgenommene Tugend, die mich zu dem überlegten Entschluß veranlaßt hätte: »Dieser Mensch ist liebenswert – ich will ihn lieben«? So etwas ist nicht geschehen. Zwar hatte ich das stets so erwartet. Da bisher alle meine Bekannten und alle meine eifrigsten Courmacher mich kalt gelassen, sagte ich mir: es hat eben noch keiner so liebenswerte Eigenschaften gezeigt, wie ich sie von meinem künftigen Gatten fordere; wenn sich einer so offenbaren wird, wie mein Ideal beschaffen ist, dann werde ich ihm meine Liebe schenken. Als ob ein solches Geschenk ein willkürlicher Akt wäre! ... Jetzt habe ich erfahren, daß Liebe von jeglicher Willenslenkung unabhängig ist – ebenso gut könnte man aus freiem Entschluß ein Nervenfieber bekommen, wie –«
    »Wie ein Liebesfieber? Als eine Krankheit betrachtet meine Sylvia ihr schicksalsentscheidendes Gefühl?«
    »Als eine süße, betäubende, gefährliche Krankheit –«
    »Warum gefährlich?«
    »Weil ich sterben müßte, wenn etwa jetzt ein Hindernis –«
    »O, man stirbt nicht so leicht an Schicksalsschlägen und an Seelenschmerz – davon bin ich ein Beispiel. Doch jetzt will ich Dich allein lassen, mein geliebtes Kind ... geh zur Ruh – ein tüchtiger, langer, fester Jugendschlaf wird Dich erfrischen und beruhigen – Du bist jetzt so erregt ... ich will Dich garnicht mit weiteren Ausforschungen plagen. Morgen früh wirst Du mir besser erzählen können, was ich noch wissen will. Gute Nacht, mein. Kind.«
    Martha beugte sich über ihre Tochter und strich ihr mit der einen Hand zärtlich über das Haar, während Sylvia die andere an ihre Lippen zog:
    »Gute Nacht, Mutter, Freundin – einzige, gute, liebste Mama, ich bin so glücklich ...« Nachdem sie allein geblieben, ging Sylvia wieder zum offenen Fenster und, an die Fensterwand gelehnt, den Kopf auf den zurückgelegten Arm gestützt, schaute sie zum Nachthimmel auf. Jetzt stand der Mond schon hoch am Firmament und goß ein sanftes, blauweißes Licht auf die Büsche und auf die Kieswege des Gartens. Die leise bewegte Luft war von Rosen und Jasmindüften durchweht.
    Diese Nachtluft und diese Düfte: wie oft hatte Sylvia deren Zauber empfunden; doch während solcher Zauber sonst eine Verheißung war – heute war er Erfüllung. Ja, das Leben ist schön ... ja, der Lenz mit seinen Blütenschätzen, mit dem geheimnisvollen Glanz seiner Mondnächte, ist Verkünder und ist Spender liebeatmender Entzückung ...
    »Wie es gekommen?« Das zog jetzt an Sylvias Geist vorüber.
    Vor vierzehn Tagen im Prater – damals blühte noch der Flieder und es war auch so eine laue, helle Frühlingsnacht gewesen – da war im Sacher-Saale ein »Junge-Herren-Ball« veranstaltet worden. Von allen jungen Herren der Gesellschaft galt Delnitzky als der hübscheste und eleganteste. Wenigstens zehn Komtessen schwärmten für ihn und fast alle Mütter wünschten im stillen, daß ihre Töchter ihn erobern mögen – denn er war eine der ersten »Partien« des Landes.
    Auf den drei oder vier vorhergehenden Bällen, die Sylvia mitgemacht, hatte der junge Mann besonders auffallend ihr gehuldigt, wodurch sie sich – nicht ohne eine gewisse Genugtuung – als der Gegenstand vielseitigen Neides fühlte. Dann aber, in einer Soiree bei der französischen Gesandtschaft – am Vorabend jenes Praterballes – hatte er sich von Sylvia ganz fern gehalten und in ziemlich ostentativer Weise der jungen Gattin eines alten Diplomaten den Hof gemacht. Eine gemischte Empfindung von Kränkung und Ärger klärte Sylvia darüber auf, daß ihr Delnitzky nicht gleichgültig war.
    Am liebsten hätte sie auf den »Junge-Herren-Ball« – den letzten der Saison – verzichtet. Delnitzky unter solchen Umständen wiederzusehen, würde ihr nur Qual bereiten. Es kam aber anders. Gleich bei ihrem Eintritt in den Saal eilte der junge Mann auf sie zu und bat um den Kotillon.
    Einen Augenblick war sie versucht, zu erwidern, daß sie vergeben sei, aber ehe sie noch darüber entschied, hatte sie schon unwillkürlich ja gesagt.
    Jene junge Frau war auch anwesend, doch wechselte Delnitzky diesmal keine zehn Worte mit ihr. Während einer Tanzpause kam eine ihrer Freundinnen auf Sylvia zu und hängte sich in sie ein:
    »Komm, laß uns ein wenig auf und ab gehen – ich habe Dir
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