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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder
Autoren: Bertha von Suttner
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etwas zu erzählen –«
    »Das wäre?«
    »Ich bin vorhin von einem Verliebten zur Vertrauten erkoren worden. Zwar kein gar lustiges Amt – man ist in solchen Angelegenheiten lieber der Gegenstand ... aber, da es sich um Dich handelt – von der man weiß, daß Du meine liebste Freundin bist... kurz, ich bin nicht neidisch. Hast Du gesehen, mit wem ich die letzte Quadrille getanzt? ...«
    »Ja, mit Delnitzky ... und ich sah ihn eifrig mit Dir sprechen –«
    »Was er mir so eifrig sagte, war, daß er sterblich in Dich verliebt ist; daß er Dich aber für kalt und ablehnend hält. Gestern habe er – in seiner Verzweiflung – versucht, einer anderen den Hof zu machen ... er hatte sich vorgenommen, Dich zu meiden – doch heute war dieses Vorhaben wieder umgestoßen; er hielte es nicht aus ... Und er bat mich, Dich auszuforschen – klug und unmerklich auszuforschen, ob er hoffen dürfte. Ich entledige mich dieses Auftrags ... freilich nicht gar klug und unmerklich – wozu auch? Du wirst auf jeden Fall aufrichtig mit mir sein? Nun?«
    Sylvia zögerte mit der Antwort. Da fiel das Orchester mit einer rauschenden Walzermelodie ein und mehrere junge Leute traten mit auffordernder Verbeugung vor beide Mädchen hin.
    »Freut euch des Lebens«, hieß der Walzer – und wahrlich: diesem von Meister Strauß in Dreivierteltakt erlassenen Gebot gehorchte Sylvia aus vollem Herzen, als sie sich nun von ihrem Tänzer durch den Saal wirbeln ließ.
    Der Kotillon, die Krönung der schönen Ballnacht, brachte zwar keine förmliche Erklärung, aber ein durch Blick und Tonfall sich unzähligemal wiederholendes Bewerben und Gewähren. Auf einen Heiratsantrag hätte Sylvia sich Bedenkzeit erbeten, denn sie war durchaus nicht entschlossen, Delnitzkys Frau zu werden – dazu mußte sie ihn doch erst besser kennen lernen –, aber auf die stummen, lieberglühten Blicke gaben ihre Augen, ohne daß sie es hindern konnte, zärtliche Antwort, und seine leidenschaftszitternde Stimme, auch indem er die gleichgültigsten Dinge redete, weckte ein Echo in ihrer befangenen Gegenrede.
    Nach dem Kotillon das Souper an seiner Seite – und dann der Aufbruch in den dämmernden Frühlingsmorgen hinaus; er war es, der sie in ihren Mantel hüllte, der ihr das Spitzentuch um den Kopf wand, der sie zum Wagen führte und ihr einsteigen half – mit langem, bebendem Händedruck.
    An all das dachte Sylvia zurück. Jetzt war alles besiegelt, er hatte ihre Hand begehrt und sie hatte ja gesagt; er hatte sie geküßt und sie hatte seinen Kuß erwidert ...
    Und so war es denn Sylvia ergangen, wie dem ersten besten »Komtessel«, dessen ganzer geistiger Horizont von den Begriffen: Ball, Courmacher, »Passion«, »glänzende Partie« umgrenzt ist. Und doch wie ganz anders war sie geartet. »Ihre Interessen umfaßten eine ganze Welt von Ideen, Kenntnissen und Zeitfragen; an den Bestrebungen und Plänen ihrer Mutter und ihres Bruders hatte sie stets ernsten Anteil genommen. Obwohl von diesen beiden nicht zur tätigen Mitarbeit herangezogen, war ihr doch Einblick in deren Denken und Fühlen gegeben, und auch sie war ein ernstes, von hohen Idealen erfülltes Menschenkind geworden. Und wenn sie von ihrer Zukunft träumte, so pflegte sie sich an der Seite irgend eines bedeutenden Mannes – Gelehrter oder Staatsmann – zu sehen, der seiner Zeit seinen Stempel aufdrücken würde, und der befähigt wäre, diesen Stempel so zu formen, daß den Zeitgenossen wieder um eine Stufe herauf geholfen würde, auf der Skala der Veredlung und Beglückung.
    Und jetzt? Jetzt war sie bereit und entschlossen, ihr Leben mit einem Mann zu teilen, von dessen Charakter sie eigentlich nichts, garnichts wußte; von dem ihr keinerlei Bürgschaft geboten war, daß er ihre Träume erfüllen, daß ihm jemals eine hervorragende und einflußübende Rolle zufallen würde, daß er überhaupt ein – Edelmensch sei. Dieses von Tilling geprägte Wort war im Hause geläufig geblieben. Und an ihrem Bruder besaß Sylvia das Urbild aller Eigenschaften, die zu jenem Titel berechtigen; von Toni Delnitzkys Eigenschaften kannte sie eigentlich nur die, daß er ihr Herz in seliger Unruhe pochen gemacht, daß er rasend verliebt schien, und daß er der eine Mann, der einzige auf Erden war, nach dessen Kuß ihre Lippen sich sehnten. Sie war aber nicht verblendet, sie dichtete ihm nicht alle Tugenden an, wie das naiv Verliebten sonst Brauch ist. Sie gab sich Rechenschaft darüber, daß sie dem Bann einer Leidenschaft
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