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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder
Autoren: Bertha von Suttner
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gedacht.«
    »Sie liebt ihn und ist entschlossen, ihn zu nehmen. Zwar habe ich mir meinen künftigen Schwiegersohn anders geträumt – was ist Deine Ansicht?«
    »Mein Gott, ich kenne den Toni nur wenig ... Ich könnte nichts Übles von ihm sagen, habe auch nie Übles über ihn gehört ... Und wenn sie ihn gern hat –«
    »Ich halte ihn für oberflächlich, für unfähig, auf die Ideen und Gesinnungen einzugehen, die meine Kinder hegen.«
    »Vielleicht wird Sylvia ihn beeinflussen –«
    »Das dacht' ich im ersten Augenblick auch ... Daß sie für einander schwärmten, bemerkte ich schon lang – besonders seit jenem »Jungen-Herren-Ball« ... Und Delnitzky ist ja ein lieber, guter Mensch, ein Gentleman ... ... Aber seit die Entscheidung gefallen, steigen mir die Zweifel auf... Meines unvergleichlichen Friedrich Kind ... das gönne ich keinem, der nicht so ist wie er gewesen... Aber gibt es einen solchen? ... Und verlieren werden wir sie...«
    »Ich glaube nicht, daß unsere Sylvia sich uns entfremden wird. Wir drei sind mit zu vielen Herzens- und Geistesfasern miteinander verwachsen, als daß uns etwas auseinander reißen könnte. Auch die Ehe nicht ... Sieh mich, zum Beispiel...«
    »Ja Du, mein Rudolf! ... Reden wir jetzt von Dir. Das ist der zweite Gegenstand, den ich auf dem Herzen hatte. Du hast gestern, beim Tauffest, Worte gesprochen, die tiefen Eindruck auf mich gemacht haben – die klangen wie eine geliebte, längstverstummte Stimme –«
    »Und darum brachst Du in Tränen aus? ... Was sagte ich? Ich erinnere mich nicht –«
    »Desto genauer erinnere ich mich – jedes Wort hat sich mir eingeprägt ... »So lange wir uns an die Vergangenheit klammern, werden wir Wilde bleiben« – sagtest Du – »Aber schon stehen wir an der Pforte einer neuen Zeit – die Blicke sind nach vorwärts gerichtet, alles drängt mächtig zu anderer, zu höherer Gestaltung – schon dämmert die Erkenntnis, daß die Gerechtigkeit als Grundlage alles sozialen Lebens dienen soll und aus dieser Erkenntnis wird die Menschlichkeit erblühen – die Edelmenschlichkeit ...« Aber, Rudolf, die Zukunft wird nur eine andere, wenn die Gegenwart zu vorbereitender Handlung ausgenützt wird. Willst Du nicht handeln?«
    »Ja, ich will. Das war es eben, was ich Dir mitzuteilen hatte. Was ich vor mir sehe, ist dies: ein Sitz im Abgeordnetenhause. Die Schaffung – vielleicht die Führerschaft einer neuen Partei. Daneben publizistische Tätigkeit ... In Bressers Blatt wird mir allwöchentlich eine Spalte offen stehen –«
    »Und da wirst Du die Friedens- und Abrüstungsidee vertreten? Wie mich das beglückt! Du weißt ja, daß sich eine interparlamentarische Union gebildet hat – da könntest Du im österreichischen Parlament auch eine Gruppe zu bilden trachten –«
    »Ich habe ein umfassenderes Programm im Sinn. Damit eine große Wandlung angebahnt werden könne, müssen zehn andere große Wandlungen gleichzeitig angestrebt werden.«
    Martha schüttelte den Kopf.
    »Gewiß,« sagte sie, »jede Wandlung ist von anderen bedingt, und zieht andere mit sich – ob aber ein Mensch zugleich nach allen verzweigten Richtungen streben soll? Wo bleibt da die Arbeitsteilung?«
    »Es gibt Dinge, die sich nicht teilen lassen, die ein großes Ganzes sind – z. B. eine Weltanschauung. Je mehr ich mich umsehe im ganzen öffentlichen Leben, je deutlicher erkenne ich, daß das, was not tut, eben dies ist: eine neue Weltanschauung – eine neue Orientierung. Nicht Schrauben und Masten sind an dem Schiffe zu ändern, auf daß es besser segele – der Kurs muß ein anderer werden. Denn in seiner jetzigen Richtung gleitet es nach einem Maelstrom, der es in die Tiefe ziehen wird –«
    »Und Du allein, mein Sohn, willst der Lotse sein, der solche Kurswendung erreicht? Dein Ehrgeiz ist hoch.«
    »Ehrgeiz?« – Rudolf machte eine wegwerfende Handbewegung – »Nein, den hab' ich nicht. Ich weiß ganz gut, daß das, was man unter Ehren und Würden versteht, nicht auf Pfaden zu holen ist, die man erst aushauen muß –«
    »Und aus welchem Anlaß hast Du Dich gerade jetzt zum Handeln entschlossen?«
    »Mein dreißigstes Jahr ist vollendet – die Lehrlingszeit ist vorüber – und dann, vielleicht auch die gestrige Feier ... Als ich es aussprach, daß wir uns der Söhne und Enkel würdig zeigen müssen, da mahnte mich das Gewissen, daß ich selber noch nichts dazu getan. Wie soll ich hoffen, daß mein Sohn einst meine Arbeit fortsetzt, wenn ich die Aufgabe nicht
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