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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder
Autoren: Bertha von Suttner
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zerbricht. Es ist ein dickes Metallrohr. Sollte es eine Riesenorgelpfeife, ein prähistorisches Flötenstück oder ein Trinkhorn für Giganten gewesen sein? Oder ein mystisches Symbol – sogar in finsteren Zeiten der Gläubigen Götze? Endlich ward ein Stein entziffert, worin die Erklärung eingegraben war. Darauf wäre man freilich von selber nie gekommen: man brauchte das Rohr zum Massenmorde, euphemistisch Krieg genannt:
Und weil der Totschlag gut kanonisch,
(Das Mittel heiligte den Zweck)
So nannte man das Ding Kanone
Und blies damit den Gegner weg.
     
    Robert gab das Blatt zurück.
    »Nun, ich sag's ja: ein moderner Mensch, dieser hohe Sechziger. Denn sein Blick ist nach der Zukunft gerichtet. Er weiß, daß wir in Wandlung begriffen sind. Er schaut erkennend und sehnend nach vorwärts, während meine verehrten Genossen, wenn sie schon Ideale haben, sie immer nur in der Vergangenheit sehen. Die meisten sehen überhaupt nicht weiter als ihre Nase.«
    »Dabei sind aber diese Menschen ihrer Anlage nach vielleicht gerade so gescheit wie Du, mein Lieber. Es kommt nur darauf an, auf welche Gedankenpfade, auf welche Kenntnisfelder man zufällig geraten ist. Erziehung ist alles. Und nicht nur Kindererziehung – auch die der Erwachsenen. Tilling hat erst mit vierzig Jahren über gewisse Dinge nachzudenken begonnen – über die ihm dann so weite Horizonte aufgegangen sind.«
    »Du denkst doch immer und immer wieder an ihn,« sagte Rudolf in leisem, ehrerbietigem Ton.
    Martha hob den Blick zum Himmel:
    »Immer. Ich bin stolz darauf, an mir erfahren zu haben, daß es eine Liebe gibt, die stärker ist als der Tod.«

IV.
    Ein heißer August-Nachmittag. Die Hitze hindert aber die Bewohner von Brunnhof nicht, sich am Tennisspiel zu ergötzen.
    Der Spielplatz liegt in einem um diese Stunde von der Sonne unbeschienenen Teil des Parkes. Von hier ist die Rückseite des Schlosses in Sicht, mit seinen in das Parterre führenden Terrassen. In der Mitte ein großes Wasserbecken, aus welchem ein Springbrunnen steigt. Rings in künstlerischer Anordnung farbenprächtige Teppichbeete. Eben war ein Gärtnergehilfe beschäftigt, den Wasserschlauch auf diese Beete zu richten, die unter dem belebenden Strahl verstärkte Düfte aussandten, die von der schwülen Luft bis zum Tennisplatz, getragen wurden. Unter den gemischten Wohlgerüchen herrschte der etwas betäubende Hauch einiger in der Nähe blühender Vanillensträucher vor. Ein eigentümliches Licht lag auf dem Grün des Rasens und der Bäume. Jene lackierte, theatereffektmäßige Färbung, die den Leuten den Ausruf abzuringen pflegt: »Seht doch! ... die sonderbare Beleuchtung ...«
    Es war zufällig dieselbe Gesellschaft, die beim Tauffest versammelt gewesen, noch vermehrt durch die Gegenwart der jungen Schloßherrin, die jetzt schon vollkommen hergestellt war und auch schon die von ihrer Mutter ihr so dringend empfohlene Wallfahrt nach Mariazell hinter sich hatte.
    Man saß da, zur Seite des Tennisplatzes, auf einer Reihe von Bänken und sah den vier Spielenden zu: Sylvia und ihr Bräutigam; Rudolf und der junge Bresser.
    Dieser war seinem Vorsatz, das Haus zu meiden, falls Sylvia sich verlobte, untreu geworden. Die Gewohnheit, mit der Familie zu verkehren, deren ältester Freund sein Vater war, war ihm zu teuer geworden. Der Umgang mit Baronin Tilling, die kameradschaftlichen Plauderstunden mit Rudolf Dotzky und wenigstens der Anblick der still angebeteten Sylvia: darauf konnte er doch nicht auf die Länge verzichten. Die blöde Eifersucht mußte niedergekämpft werden. Hatte er doch niemals gehofft, das Mädchen zu erringen, so mußte er sich darein finden, sie an der Seite eines anderen zu sehen. Daß dieser andere kein Idealmensch war, bot ihm eigentlich eine kleine Genugtuung, die er sich zwar nicht eingestand, die er aber darum nicht weniger empfand. Da ihm selber Delnitzky nicht liebenswert erschien, so gab er sich der Idee hin, daß Sylvia eine Vernunftheirat einging, an der ihr Herz nur wenig beteiligt war. Mit dieser Vorstellung hatte er wenigstens, die eine Hälfte seiner eifersüchtigen Gefühle verscheucht. Game – play – out«. Die Worte drangen vom Spielplatz herüber, aber in ruhigem Tone; die Bälle flogen hin und her oder stießen an das Netz und fielen oft zu Boden, alles dies lautlos, außer wenn der Ball ungeschickterweise mit dem Rand des Raketts aufgefangen wurde, dann rief gewöhnlich von den Zuschauern einer: »Holz – Holz!« Die Bewegungen der
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