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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben
Autoren: Beate Sommer
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Wir wohnen dahinten in Mögeldorf am Waldrand.« Er deutete mit der Hand aus dem Seitenfenster.
    Unwillkürlich folgte Hackenholt mit seinem Blick der Richtung, in die der Spaziergänger zeigte, sah aber, wie nicht anders zu erwarten, nur Wald. Rasch machte er sich eine Notiz auf dem Schreibblock: Er musste sich das Gelände unbedingt auf der Karte ansehen, um ein Gefühl für die Entfernungen zu bekommen.
    »Wann sind Sie zum letzten Mal hier spazieren gegangen?«
    »Ach, das ist schon eine ganze Weile her.« Der Mann hielt inne und dachte kurz nach. »Gut und gerne zwei Wochen. Erst war ich krank. Hatte mir eine dieser Magen-Darm-Geschichten eingefangen und bin fast eine Woche lang nicht aus dem Haus gekommen. Ich kann Ihnen sagen …« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Und dann gab es ja dieses Unwetter, wo es so schlimm geregnet hat und sämtliche Keller vollgelaufen sind. Da wird das Gebiet hier zur reinsten Seenlandschaft. Seien Sie bloß froh, dass das schon alles versickert ist, sonst hätten Sie so hohe Gummistiefel gebraucht, wie sie Angler beim Fliegenfischen tragen, wenn sie sich mitten in einen Fluss stellen.«
    »Und als Sie zuletzt hier waren, ist Ihnen da schon etwas aufgefallen? Wollte der Hund vielleicht ins Gebüsch laufen?«
    »Nein, da war nichts. Nicht wahr, Niko?« Er beugte sich zu dem vor der offenen Autotür sitzenden Hund und streichelte ihm über den Kopf. »Da ist er einfach nur durch den Wald gesprungen.«
    Nachdem sich Hackenholt noch die Personalien des Rentners notiert hatte, verabschiedete er ihn, und der Senior zog mit seinem noch immer angeleinten Hund von dannen. Der Kriminalhauptkommissar stieg wieder aus dem Auto und machte sich auf den Weg zurück in den Wald.
    »Brauchst du mich hier noch?«, fragte er Christine Mur ein paar Minuten später.
    Sie schaute erstaunt auf. »Nein. Was sollte es hier für dich noch zu tun geben?«
    Auf dem Weg ins Büro hielt Hackenholt an einer Imbissbude in der Ostendstraße und bestellte sich eine Pizza zum Mitnehmen, da die Kantine des Polizeipräsidiums am Wochenende geschlossen blieb. Er konnte sich allenfalls in die davor gelegene Cafeteria setzen, die sowieso nur aus ein paar Tischen und einem Süßigkeitenautomaten bestand, und einen Schokoriegel essen – aber darauf konnte er gerne verzichten.
    Mit dem Pizzakarton bewaffnet ging er in sein Büro im zweiten Stock. Zugegeben, die Pizza schmeckte wohl vor allem deswegen so hervorragend, weil er immer wieder daran denken musste, wie knapp er dem Essen beim Afrikaner entronnen war.
    Nachdem er sich gestärkt hatte, griff er zum Telefonhörer, um die erforderlichen Gespräche mit der Staatsanwaltschaft und der Pressestelle zu führen, die beide auch am Wochenende einen Bereitschaftsdienst stellten, der informiert werden wollte. Dann begann er die Vermisstenanzeigen im Computer durchzusehen. Zuerst mussten sie herausbekommen, wer der Tote eigentlich war – auch wenn Hackenholt wenig Hoffnung hegte, dass jemand einen Obdachlosen vermisst gemeldet hatte. Zu dünn war deren soziales Netzwerk, und zu gerne sahen die Mitbürger weg, wenn sie einem dieser verwahrlost wirkenden und zumeist nach Alkohol stinkenden Menschen mit leerem Blick begegneten.
    Er sollte recht behalten: Zwei Stunden und rund sechzig Vermisstenanzeigen später, zunächst aus Mittelfranken, dann aus ganz Bayern, hatte er niemanden gefunden, auf den die Beschreibung des Toten passte. Es blieb Hackenholt also nichts anderes übrig, als in den Obdachlosenheimen anzurufen und nachzufragen, ob bei ihnen ein Bewohner abgängig war. Im Telefonbuch suchte er erst die Nummer für das Männerwohnheim des Sozialamts heraus und danach noch die der Heilsarmee. Gleich beim ersten Anruf erfuhr er eine Ernüchterung: Der Heimleiter brach in schallendes Gelächter aus, als Hackenholt ihn fragte, ob eines seiner Schäfchen verschwunden sei.
    »Soll das ein Witz sein? Wir haben zwanzig Übernachtungsmöglichkeiten für Männer in der Notschlafstelle. Wer hier schlafen will, steht einfach vor der Türe. Unangemeldet. Und genauso verschwindet er am Morgen wieder – ohne sich abzumelden. Manche kommen am gleichen Abend wieder, manche suchen sich in einer anderen Einrichtung einen Unterschlupf. Im Winter sind wir immer voll, im Sommer, wenn das Wetter passt, schlafen viele lieber draußen. Bei unseren stationären Männern ist das natürlich etwas anderes. Je nach Angebot wohnen die sechs Monate oder zwei Jahre hier, aber von denen ist mir
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