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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben
Autoren: Beate Sommer
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eine Woche? Keine Ahnung, ich bin kein Experte. Aber dem Grad der Fäulnis nach zu urteilen, muss der Tod schon vor einer Weile eingetreten sein. Es haben sich bereits Ödeme gebildet. Und das, obwohl es nur die letzten drei Tage warm war.« Sie wies mit ihren behandschuhten Fingern auf die Hand des Toten, auf der eine große Blase zu sehen war. »Komm da bloß nicht ran, wenn die aufplatzt, stinkt es gewaltig. Wir können wirklich froh sein, dass er hier im Wald liegt.« Behutsam strich Mur dem Toten ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht, sodass eine Wunde in Höhe des Haaransatzes oberhalb der rechten Schläfe sichtbar wurde.
    »Und welche Ungereimtheiten sind dir aufgefallen?«, fragte Hackenholt.
    »Er hat nichts bei sich. Gar nichts. Keine Ausweispapiere, kein Geld, keine Zigaretten. Die Taschen von seinem Jackett sind leer, und das übliche Sammelsurium von Plastiktüten haben wir auch nirgendwo gefunden.«
    »Könnten sich nicht vielleicht irgendwelche Tiere über die Tüten hergemacht haben?«
    »Möglich, aber meiner Meinung nach eher unwahrscheinlich. Ein Sandler besitzt mehr als nur eine Tasche. Ich glaube nicht, dass in allen etwas Essbares war und sich irgendwelches Getier darüber hergemacht hat. Außerdem erklärt das nicht, warum er nichts in seinen Kleidertaschen hat. Zumindest ein paar Centstücke oder ein Streichholzheftchen hätte ich erwartet. Du weißt doch selbst, was die immer in ihren Jacken- und Hosentaschen spazieren tragen. Aber hier: Fehlanzeige.«
    Hackenholt nickte versonnen. »Was er wohl mitten im Wald gesucht haben mag? Die Stelle hier ist doch ziemlich abgelegen.«
    Mur wiegte ihren Kopf hin und her. »Das kommt dir nur so vor, weil du die Straße vom Tiergarten hergefahren bist. Wenn du dir das Gelände auf der Karte anschaust, wirst du sehen, dass es von hier aus nur ein Katzensprung bis nach Rehhof ist. Vielleicht eine knappe Viertelstunde bis zum nächsten Schrebergarten. Andererseits gebe ich dir schon recht: ein naturverbundener Sandler, der im Wald spazieren geht? Dass ich nicht lache!«
    Hinter ihnen brach mit einem lauten Knacken ein Ast. Hackenholt fuhr erschrocken herum, doch es war nur Dr. Puellen, der sich den Weg durch das Unterholz bahnte – ohne die geschätzte Begleitung einer der beiden Streifenpolizisten, wie Hackenholt verärgert feststellte. Bei ihnen angekommen zuckte der Mediziner entschuldigend mit den Schultern. »Tut mir leid, ich wollte euch nicht erschrecken. Aber ich bin froh, dass ich euch überhaupt gefunden habe. Ich hatte schon Angst, mich hier zu verlaufen.«
    Rasch warf Hackenholt Mur einen warnenden Blick zu, doch die hatte ausnahmsweise gar nicht vor, das Eingeständnis mit einer ihrer spitzen Bemerkungen zu kommentieren. Puellen breitete auf dem Boden ein kleines Tuch aus, das wie das Stück einer zerschnittenen Picknickdecke aussah, und kniete sich darauf neben dem Toten nieder. Hackenholt und Mur traten beiseite und ließen den Mediziner in Ruhe arbeiten.
    »Außerdem ist auffällig, dass er nur einen Schuh anhat«, nahm Mur das Gespräch wieder auf, das durch Puellens Ankunft unterbrochen worden war. »Natürlich kann ein Fuchs oder ein Wildschwein dafür verantwortlich sein, aber wenn Letzteres den Mann gefunden hätte, sähe die Leiche jetzt anders aus.«
    »Andererseits ist der Tote nicht verscharrt worden«, gab Hackenholt zu bedenken. »Wenn jemand eine Leiche loswerden will, dann vergräbt er sie normalerweise oder deckt sie zumindest mit Ästen und Laub zu.«
    »Stimmt. Aber wir befinden uns hier in einem besonders schwer zugänglichen Waldstück. Schau dir nur die Brombeerranken an. Wenn jemand hier einen Toten ablädt, ist er wahrscheinlich davon überzeugt, dass der nie gefunden wird.«
    »Du gehst also von einem Tötungsdelikt aus?«
    Mur schnitt eine Grimasse. »Schlussendlich wird das nur Dr. Puellen feststellen können. Einstweilen bleibe ich bei meiner Theorie, dass ihn jemand hier abgeladen hat. Oder aber zumindest vor uns gefunden und seine Habseligkeiten an sich genommen hat.«
    Hinter ihnen war ein Ächzen zu vernehmen. Dr. Puellen hatte den Toten umgedreht. Als Folge waren einige der Ödeme geplatzt, die nun einen intensiven Leichengeruch verströmten. Mur schnitt eine Grimasse und wich automatisch einen Schritt zurück.
    »Gibt es irgendwelche Auffälligkeiten?«, fragte Hackenholt den Arzt. Er musste sich zwingen, näher heranzutreten.
    Puellen blickte auf. »Er hat einige blaue Flecke und Kratzwunden, aber die würde
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