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Friesenwut - Kriminalroman

Friesenwut - Kriminalroman

Titel: Friesenwut - Kriminalroman
Autoren: Hardy Pundt
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Prolog
    Heute trug er
tatsächlich einen Nadelstreifenanzug. Die dunkle Krawatte war gelöst, den
oberen Hemdknopf hatte er schon vor Stunden geöffnet. Manchmal fühlte er sich
so, als drehe ihm einer die Luft ab. Das Zimmer lag in der Dämmerung, nur die
Schreibtischlampe warf Licht auf den Bildschirm des Laptops, der vor ihm stand.
Seine rechte Hand drehte immerzu an dem kleinen Rädchen der Maus, ab und zu
klickte es. Immer wieder öffneten sich neue Seiten, mal waren es Linien-, mal
Balkendiagramme, mal waren es Tabellen mit vielen Zeilen und Spalten, gefüllt
mit Zahlen. Eine Karte mit Häuschen in verschiedenen Rottönen: ›Vermuteter
Mangel an Liquidität führender Bankhäuser‹, so der Titel. Der Mann blickte
sorgenvoll. Die linke Hand griff zum Weinglas. Die Flasche neben dem Glas war
leer. Ein französischer Merlot, trocken.
    »Runter, immer nur runter!«,
flüsterte er, obwohl weit und breit niemand zu sehen war, der ihn hätte hören
können. Noch leiser fügte er hinzu: »Verlust, nichts als Verlust …«
    Sein Gesicht nahm einen
verzweifelten Ausdruck an. Plötzlich sprang er auf, riss sich die Krawatte vom
Hals und feuerte sie auf das Sofa, das nahe dem Schreibtisch stand. Er öffnete
eine Schranktür, hinter der eine neue Flasche Wein stand. Der Korkenzieher lag
noch auf dem Schreibtisch, und sorgsam drehte er das spiralförmige Werkzeug in
den Flaschenverschluss. Ohne den Korken vom Öffner zu entfernen, legte er ihn
zurück auf die Tischplatte, schenkte ein neues Glas ein und trank hastig zwei
Schlucke. Dann setzte er sich, rieb sich müde die Augen und starrte erneut auf
den Bildschirm. Die Geschäfte liefen schlecht, was sich in seinem Aussehen
niederschlug. Hätte er es vorhersehen können? Schließlich kannte er die
Risiken. Eigentlich war doch immer alles gut gelaufen.

     
    Wer nicht wagt, der
nicht gewinnt. In Dagobert Ducks Motto steckte schließlich ein Stückchen
Wahrheit.
    Der Mann streckte die Beine aus
und sackte in sich zusammen. Wer ihn jetzt sah, hätte gedacht: Er sieht
schlecht aus. Er schloss die Fenster und fuhr den Rechner herunter. Dann
ergriff er die Titelseite einer der Tageszeitungen, die er neben sich auf den
Boden geworfen hatte. Er las und wusste nicht, zum wievielten Mal, in immer
neuen Variationen. Die Experten, die den Karren in den Dreck gefahren hatten,
überboten sich mit Interpretationen der Ursachen und möglicher Wege aus der
Misere: »Finanzkrise schlimmer als erwartet – auch kleinere Banken wollen
staatlichen Schutzschirm.«
    Noch einmal, ein weiteres Mal
gingen ihm die letzten Worte seines Chefs durch den Kopf: »In diesen Zeiten
noch solche Geschäfte abzuschließen ist unseriös und schlichtweg finanzieller
Selbstmord! Lassen Sie sich schleunigst etwas einfallen, das unsere Bank –
und Sie selbst – aus diesem Schlamassel wieder herausholt.« Dann hatte er
eine Pause gemacht und leise, ganz leise hinzugefügt: »Ehrlich gesagt,
Aldenhoff, glaube ich nicht, dass Sie das noch schaffen. Sie haben richtigen
Mist gebaut. Da kann ich Sie nicht mehr raushauen. Das ist so sicher wie die
ganze verdammte Finanzmisere.« Dann war er gegangen. Und Aldenhoff hatte fast
den Eindruck gehabt, sein Chef hatte das Kinn gehoben und ein wenig nach vorn
geschoben. Als ob der nichts gewusst hätte! Hatte doch oft genug gesagt:
›Dieses Mal wird’s schon noch mal klappen – sehen Sie sich die
Gewinnmargen an!‹. Und jetzt machte er auf unschuldig. ›Ja, Herr Aldenhoff, der
hat sich verspekuliert. Ich hatte ihn gewarnt, aber …‹
    Die Buchstaben der
Zeitung verschwammen ihm vor den Augen. Mit wenigen hastigen Schlucken leerte
er das Glas. Dann schmetterte er es in einem Augenblick, in dem plötzlich die
Wut in ihm aufstieg, an die Wand. Er nahm seine Jacke, wollte weg. Irgendwohin,
wo etwas los war. Nur nicht hier bleiben. In eine Kneipe, in die Disco.
Möglicherweise war sie dort: seine Traumfrau. Endlich hatte er sie … erobert.
Diese junge Frau vom Hof in der Krummhörn, diesem wunderbaren Landstrich
hinterm Deich. Nie hätte er gedacht, dass er sich in eine Bauerntochter verlieben
könne. Sie hatte jedoch alle Eigenschaften, die für ihn eine Traumfrau
ausmachten. Gleichwohl ahnte er, dass seine Beziehung zu ihr nicht mehr lange
halten würde. Was er getan hatte, war unverzeihlich. Und ein Einziger war dafür
verantwortlich. Er selbst. Hastig verließ er seine Wohnung.

     

     

     

     

1
    Als Meinhard Harms an
diesem Morgen die Stufen in die Kabine
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