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Friesenwut - Kriminalroman

Friesenwut - Kriminalroman

Titel: Friesenwut - Kriminalroman
Autoren: Hardy Pundt
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dem Ruhrpott,
oft missinterpretierten. Das habe mit Semantik zu tun, hatte sein Sohn ihm
neulich erklärt. Mein Gott, der studierte jetzt in Göttingen Germanistik. Wie
war er darauf nur gekommen? Als Meinhard seiner Frau Erna zuraunte, der schlage
ja völlig aus der Art, sagte diese nur vorwurfsvoll, es sei doch eine tolle
Sache, dass ihr Sohn jetzt studiere. Auf das ›Wat kann man dormit denn
anfangen? Woför brukt man dat denn?‹ war sie gar nicht eingegangen. Sie sagte
nur: ›De weet, wat he will!‹. Trotzdem, studieren – so etwas hatte es
bislang in seiner Familie nicht gegeben. Hier wurde gearbeitet, nicht geschwatzt.
Das war jedenfalls Meinhards Meinung.

     
    Er bremste seinen
Trecker ab. Links, im Schloot, bemerkte er erneut etwas, was anders war als
sonst. Er konnte nicht genau sagen, was es war, irgendetwas war auffällig. Viel
zu oft war er diese Strecke entlanggefahren, als dass er die Veränderung nicht
bemerkt hätte. Diese Bremsspuren, kaum Verkehr …, hier war doch einer ins
Schleudern geraten?
    Meinhard hielt an und legte den
Rückwärtsgang ein. Es war noch früh am Tag, kaum jemand war unterwegs, sodass
er ohne Gefahr einige Meter zurücksetzen konnte. An der Stelle, an der das
Schilf nicht mehr aufrecht stand und Lücken zeigte, stoppte er, nachdem er den
Trecker so weit rechts an den Straßenrand wie möglich gefahren hatte. Viel
Platz war nicht, ein Seitenstreifen nicht vorhanden. Meinhard betrachtete noch
einmal die Bremsspur und begann zu kombinieren. Kurz vor dem Schloot hatte der
Fahrer den Wagen wieder unter Kontrolle gebracht. Die Bremsspur endete und ein
paar unterbrochene, schwarze Reifenrückstände wiesen selbst für einen Laien wie
Meinhard darauf hin, dass der Fahrer zurück auf die Fahrbahn gekommen und die
Fahrt hatte fortsetzen können. Kein Auto lag im Straßengraben. Schwein gehabt …
Irgendetwas war dennoch nicht in Ordnung – das spürte er.

     
    Die kalte Morgenluft, der Nebel, der noch über
den Feldern lag und die Stille – auch die eher ungewöhnliche
Windstille – ließen Unbehagen in ihm aufkommen. Meinhard bekam nur selten
echte Angst. Er hatte so eine Ahnung, befürchtete, dass er auf etwas
Unangenehmes stoßen könnte. Andererseits wurde ihm bewusst, dass er sich nicht
einfach aus dem Staub machen konnte. Womöglich brauchte jemand Hilfe?

     
    Der
Mann erreichte den Straßengraben. Hier war erst kürzlich eine Schneise in das
Schilf geschlagen worden. Die Öffnung war schmal, das war kein Auto gewesen, es
sah eher so aus, als habe sich eine Person hindurchbewegt. Doch wer ging schon
freiwillig direkt in einen Schloot – zumal die Böschung sehr steil war.
Meinhard schaute in die Schneise. Einige Schilfhalme hatten sich schon wieder
aufgerichtet, andere waren abgebrochen und versperrten die Sicht. Wie lang
würde die Schneise sein? Wer oder was hatte sie verursacht? Was würde an ihrem
Ende zu sehen sein? Meinhard gab sich einen Ruck und stieg langsam und
vorsichtig die glitschige Grabenböschung hinunter, die Schilfhalme nach hinten
wegbiegend. Es schien fast so, als wolle er ihnen nicht wehtun. Plötzlich
machte die Schneise einen Bogen nach rechts. Meinhard blieb wie angewurzelt
stehen. Er sah das Hinterrad eines Fahrrades. Guck an, dachte er, hier ist
jemand mit seinem Fahrrad rein, wahrscheinlich duhn … »Oh nein«, rief er
plötzlich, obwohl er mutterseelenallein war. Mit dem linken Fuß war er im
Wasser eingesackt, erst knöchel-, dann fast knietief. De Footen sünd natt,
dachte er und versuchte, weiterzukommen. Jetzt sah er das komplette Fahrrad und
ein maßloser Schreck fuhr ihm in die Glieder. Ohne Vorwarnung schossen zwei
Stockenten urplötzlich aus dem Nichts auf ihn zu und flogen laut quakend in den
Nebel. ›Mistviecher‹, dachte er. Erneut Stille. Dann ein weiterer kalter
Schauer, den Rücken rauf und wieder runter. Die Person, die dort auf der
anderen Böschungsseite auf dem Bauch lag, Beine im Wasser, Oberkörper im
Schilf, Gesicht nach unten, war weiblich. »Warum habe ich nur angehalten«,
murmelte Meinhard. Auf so etwas hätte er gut und gern verzichten können. Nun
musste er handeln. Auf der Straße rauschte ein Auto vorbei, hatte er die
Warnblinker eigentlich eingeschaltet?

     
    Er näherte sich sehr
bedächtig der Frau, die dort lag. Sie bewegte sich nicht. Deutlich sah man,
dass sie mit dem Fahrrad mit erheblicher Geschwindigkeit in den Straßengraben
gedüst war. Kein Stoppen mehr möglich gewesen. »Mein Gott, sie wird
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