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Friesenwut - Kriminalroman

Friesenwut - Kriminalroman

Titel: Friesenwut - Kriminalroman
Autoren: Hardy Pundt
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doch nicht …«,
bei dem Gedanken, dass sich die Frau etwa das Genick gebrochen haben könnte,
wurde es Meinhard mulmig. Er war nicht zart besaitet, ganz und gar nicht, aber
eine Tote, an diesem Morgen, der so kalt und neblig war, an dieser Stelle,
nicht weit von zu Hause, darauf hätte jeder verzichten können.

     
    Jetzt war Meinhard
der Frau ganz nahe. Sie regte sich nicht. Schwerverletzte sollte man möglichst
nicht bewegen, so erinnerte er sich an den Erste-Hilfe-Kurs, den er vor langer
Zeit absolviert hatte. Andererseits lag sie mit dem Gesicht nach unten im
Schilf – was, wenn sie keine Luft kriegte? Atmete sie überhaupt noch?
Meinhard grübelte. Dann streckte er Zeige- und Mittelfinger, bewegte seine Hand
ganz langsam in Richtung des Halses. Der Gedanke, er könne gleich etwas Hartes,
Kaltes fühlen, machte ihm die Situation fast unerträglich. Er gab sich einen
Ruck und setzte seine Finger an die Stelle, an der er die Halsschlagader
vermutete. Die Haut war weich. Kühl, aber nicht kalt. Meinhard suchte ein wenig
mit den Fingern, dann fand er die Schlagader. Die Frau lebte. Ja, es floss noch
Blut. Ganz langsam drehte er ihren Kopf so, dass sie besser atmen konnte. Jetzt
erst erkannte er sie. »Um Himmels willen, Freya …«, Meinhard erstarrte. Freya
Reemts. Die kannte er von klein auf. Menno Reemts, ihrem Vater, gehörte der Hof
nur etwa 2 Kilometer von diesem Ort entfernt. Warum, verdammt noch mal, lag sie
hier? Meinhard hetzte die Böschung hoch, rannte zum Trecker, sprang geradezu in
die Kabine und suchte nach seinem Handy. »So ein Scheiß …Düfel ook«, fluchte er
und vor seinem geistigen Auge sah er das Gerät zu Hause auf dem Küchentisch
liegen. Freya brauchte dringend einen Arzt. Meinhard startete die Maschine,
legte den Rückwärtsgang ein, fuhr – viel zu schnell – auf der rechten
Straßenseite rückwärts zurück bis zu einer Stelle, von wo man von der Straße
auf den Acker fahren konnte. Hier, bi’t Düker kann ick wenden, dachte Meinhard
und fuhr rückwärts auf den Überweg, der von der Straße, den Graben kreuzend,
zum angrenzenden Ackerland führte. Er bremste scharf ab, legte den Vorwärtsgang
ein, schaute einmal links, einmal rechts. Nichts und niemand zu sehen. Er
drückte fest aufs Gaspedal und bog links ab, wieder in Richtung seines Hofes.
Er musste rasch telefonieren und Hilfe holen. So schnell wie möglich. Bis nach
Hause war es zu weit. Er würde bei Siebelt Reersemius klingeln. Der
bewirtschaftete einen Schweinebetrieb und musste meistens nicht ganz so früh
aus den Federn, wach würde er jedoch schon sein. Von hier aus würde er Hilfe
holen, einen Arzt und die Polizei.

     

     

2
    Meinhard fuhr rasant – soweit das mit einem
Trecker möglich war – im Halbbogen vor das imposante Hofgebäude. Die
Reifen quietschten direkt vor der Haustür der Landwirtsfamilie Reersemius, die
in einem der großen, eindrucksvollen ostfriesischen Gulfhöfe lebte, in denen
das Wohnhaus vorne und, direkt anschließend, Stallungen und Scheune angebaut
waren. Letztere zeichneten sich äußerlich durch ein weiter heruntergezogenes
Dach aus. Wohnhaus und Stallungen wurden durch das Karnhus getrennt, in dem zu
früherer Zeit die Milch zu Butter und Käse verarbeitet wurde und in denen die
kleinen 1-Liter-Kannen der Nachbarn standen, die dort ihre manchmal noch warme
Milch abholten. Meinhard sprang aus der Kabine, rannte zur Tür, klingelte wie
wild. Er sah, wie der Vorhang des Fensters neben der Tür kurz zur Seite
geschoben und dann schnell wieder fallen gelassen wurde. »Nun mach schon!«,
rief Meinhard, als Reersemius bedächtig die Tür öffnete.
    »Bist du von allen guten Geistern
verlassen?«, begann Reersemius.
    Meinhard unterbrach ihn geradezu
barsch: »Siebelt, ich muss telefonieren. Dringend. Alles Weitere später!«
    Reersemius sah ihn verdutzt an.
Was hatte der denn? Er sah Meinhard nach, der wusste, wo das Telefon stand. Er
sagte nichts. Duhn, also angetrunken oder gar besoffen, schien Meinhard nicht
zu sein, er sprach klar, schwankte nicht, außerdem war es früher Morgen …
Reersemius konnte sich keinen Reim machen. Meinhard nahm den Hörer ab.
»Notarzt – ist das 110 oder 112?«, rief er Reersemius zu, obwohl er neben
ihm stand.
    »Weet ick ook nich«, stammelte
der.
    »Egal, ich versuch’s mal
unter 110.« Meinhard wählte die Nummer und schnell nahm jemand ab. »Ein
Notfall, Kreisstraße nach Pewsum, nahe der Kreuzung, wissen Sie, hinter
Schoonorth, wenn man aus
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