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Friesenwut - Kriminalroman

Friesenwut - Kriminalroman

Titel: Friesenwut - Kriminalroman
Autoren: Hardy Pundt
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seines Treckers emporkletterte, ahnte er
nicht, dass der Vormittag einen anderen Verlauf nehmen würde als gewöhnlich. Er
startete die Maschine, legte den ersten Gang ein und fuhr behutsam vom
Hofgelände auf die renovierungsbedürftige Landstraße, die in Richtung der
Kreisstraße zwischen Norden und Pewsum führte. Hier würde er abbiegen, um dann
in einem der höheren Straßengänge in schnellem Tempo in das Dorf zu fahren, das
Plattdeutsch ausgesprochen ›Paaisn‹ hieß, was den vielen Touristen, die im
Sommer hier ihren Urlaub verbrachten und die den Namen ›Pewsum‹ auf der Karte
sahen, völlig unverständlich erscheinen musste.

     
    Meinhard
Harms war nicht unzufrieden. Der Hänger hinter seinem Schlepper war randvoll
mit gutem Weizen und dieser würde im Moment ebenso gutes Geld bringen. Der
Weltmarkt war leer gefegt. Nun kauften sogar die Chinesen Getreide aus
Europa – also stiegen die Preise. Angesichts vieler Jahre, in denen
mancher Landwirt hatte aufgeben müssen, empfand Meinhard dies als gerecht.
Schließlich hatte er all die Jahre hart gearbeitet und nun gab es endlich mal
wieder einigermaßen akzeptable Weltmarktpreise, es würde etwas Geld übrig
bleiben. Das war nicht immer so gewesen; manchmal hatten die Investitions- und
Betriebskosten sogar mehr betragen als das, was durch den Getreideverkauf
wieder hereingekommen war. Dann kam noch die Milchpreiskrise hinzu und Meinhard
und seine Frau Erna dachten ernsthaft daran, alles aufzugeben. 55 Cent für
einen Liter bei den Discountern – prima für die Kunden, eine Katastrophe
für die Produzenten. Bei dem kamen weniger als 30, manchmal weniger als 25 Cent
an. Das reichte einfach nicht aus, deckte nicht einmal die Kosten. Das Wort
›Gewinn‹ hatte er vorerst aus seinem Sprachgebrauch gestrichen. Doch was
sollten sie tun? Jetzt schon in Rente gehen? Und wie hoch würde diese sein?
Nein, es konnte so nicht weitergehen. Allerdings hatte sich das Weitermachen,
zumindest teilweise, gelohnt. Der Milchpreis erholte sich zwar immer noch nicht
nachhaltig, aber – wenigstens das! – die Getreidepreise waren in
Ordnung. Dennoch, die Entwicklung war mitunter sehr bitter gewesen und hatte
manchen Abend gekostet, an dem Harms und seine Frau hin- und hergerechnet
hatten, um die Finanzlage zu checken. Sie wussten, die Banken, die die Kredite
für allerhand Neuanschaffungen und Renovierungsarbeiten am Hof vorgestreckt
hatten, würden sich nicht lange vertrösten lassen. Banken – das wusste
Meinhard Harms – waren nur so lange nett und freundlich, wie die
monatlichen Raten eintrafen. Und wenn man verglich, was man an Zinsen zahlte
und was als Tilgung den Kredit reduzierte, dann könnte man daran verzweifeln.
Der kleine Mann musste immer tapfer herhalten.

     
    Meinhard bog in die
Kreisstraße ein. Hier, wo es links nach Norden, geradeaus nach Marienhafe und
rechts nach Pewsum ging, hatte es schon manch schweren Unfall gegeben. Immer
wieder waren verantwortungslose Fahrer über die unübersichtliche Kreuzung gerast.
Das Aufstellen von Stoppschildern und das Aufmalen dicker, weißer Linien hatten
offenbar gefruchtet. In den letzten zwei, drei Jahren war nichts mehr passiert.
Nachdem Meinhard den Blinker ausgestellt hatte, automatisch funktionierte es
nicht mehr, schaltete er gleich zwei Gänge höher und trat auf das Gaspedal. Der
Schlepper stieß eine Rauchwolke aus und fuhr mit mehr als 40 Stundenkilometern
Richtung Südwest. Die Straße war gut ausgebaut und es ging erst einmal ein
gutes Stück nur geradeaus. Am Starenkasten am Wirdumer Altendeich würde er
aufpassen müssen. Wäre natürlich eine schöne Geschichte, in der Marsch mit dem
Trecker geblitzt zu werden …

     
    Nach nicht einmal
einem Kilometer weiter, Meinhard war in Gedanken versunken, bemerkte er etwas
Ungewöhnliches: schwarze Bremsspuren auf der Fahrbahn. Sie begannen in der
Mitte der Straße, schwenkten nach links und rechts, weit über die Mittellinie
hinaus. Sie führten schließlich geradewegs auf den Straßengraben zu, der an
dieser Stelle besonders tief und mit hohem Schilf bewachsen war. Auswärtige
könnten den Eindruck gewinnen, hier ginge die Straße mehr oder weniger
gleichmäßig in den anschließenden Acker über. Beiderseits der Landstraße war
ein tiefer, breiter Graben und das Schilf erreichte mitunter mehr als drei
Meter Höhe. ›Schloote‹ nannte man die Straßengräben in dieser Gegend; ein
plattdeutscher Ausdruck, den die Binnenländer, besonders die aus
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