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Marienplatz de Compostela (German Edition)

Marienplatz de Compostela (German Edition)

Titel: Marienplatz de Compostela (German Edition)
Autoren: J.M. Soedher
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geworden. Am Sonntag, als er im sommerwarmen Schatten der Erle ein wenig auf der Liege hinter dem Haus gedöst hatte, rumorte der eigenwillige Text der Postkarte in ihm. Da war er entgegen seinem Vorsatz in die Küche gegangen und hatte einige Zeit den kopierten Text studiert. Er konnte ihn beinahe schon auswendig. Je länger er die Worte betrachtete und versuchte Bezüge herzustellen, setzte sich die Meinung in ihm fest, Anne Blohm habe mit ihren Worten eine Botschaft formuliert. Lanac ergab rückwärts gesprochen Kanal. Tja – Kanal. Das brachte seine Gedanken auch nicht weiter und er gab auf, weil er die Erholung des Sonntags brauchte.
    Erst jetzt wieder, auf dem Fußweg von der Hackerbrücke hinüber zum Büro, erfasste ihn die bedrängende Stimmung wieder, diese Fragmente des Schreckens, die vor ihm aufgezuckt waren, als er dem zugehört hatte, was die Blohms erzählt hatten.
    Er richtete den Blick auf und sah hinunter ins Gleisbett, wo die Lichtreflexe auf den Schienen tanzten. Die Hackerbrücke war voller Menschen. Autokolonnen stauten sich vor den Ampelanlangen. Radfahrer zwängten sich durch das Gemisch aus Fußgängern und Fahrzeugen, das an der Arnulfstraße entstanden war. Alle waren in Eile.
    *
    Die drei anderen waren bereits in ihren Büros beschäftigt und Batthubers Stimme war bis in den Gang zu hören. Er berichtete Hartmann von seinem Kurs.
    Was war es noch mal gewesen? Irgendwas mit dreidimensional und Scannen mit Lasern . Genau das Richtige für ihn. Vielleicht war es ja mal zu gebrauchen. Bucher hockte sich an den PC und wollte vor der Besprechung googeln, wo genau Lanac lag. Es dauerte länger, als er erwartet hatte.
    Später dann informierte er über den Fall Anne Blohm, holte das Foto vom Marienplatz hervor und eine Portraitaufnahme, die reihum gingen; danach folgte die Ansichtskarte.
    »Ich bin ja eher so italienmäßig unterwegs. Wo liegt dieses Orléans genau?«, richtete sich Batthuber an Bucher.
    »Gar nicht weit von Paris entfernt, im Süden, an der Loire. Ein herrliches Städtchen mit großer Geschichte.«
    »Mhm, Jungfrau und so … hab ich schon mal gehört …«, sagte Batthuber.
    »Tal der Könige«, ergänzte Bucher.
    »Tal der Könige?«, wiederholte Batthuber, »ist das nicht in Ägypten?«
    Bucher schnaufte. »In Frankreich gibt es auch ein Tal der Könige  – der Abschnitt der Loire zwischen den Städten Gien und Angers. Er wird so genannt, wegen der vielen Schlösser und Prunkbauten und der Orgien, die dort gefeiert wurden … Renaissance … Franz der Erste … Katharina von Medici … Diane de Poiters – schon mal davon was gehört?«
    »Mhm«, kam es ungläubig, »haben wir den Fall bekommen, weil du ein halber Franzos bist?«
    Bucher sah den Kleinen irritiert an. Mit einer solchen Frage hatte er nicht gerechnet. Batthuber erklärte schnell, dass das ja möglich sein konnte, wegen seiner Orts- und Sprachkenntnisse – und so.
    »Und so …«, mokierte Buche sich.
    Hartmanns Gedanken waren bereits einige Schritte weiter. »Gab es Streit zwischen Anne Blohm und ihren Eltern?«
    Lara Saiter antwortete. »Nein, gab es nicht. Jedenfalls hat sich der Eindruck nicht aufgedrängt. Wir haben da aber auch nicht insistiert, beim ersten Kontakt … du verstehst.«
    Hartmann knurrte und zählte auf: »Sie kündigt ihren Job, gibt ihre Wohnung ab, geht auf Pilgerreise, meldet sich zum letzten Mal telefonisch aus Lindau, dann kommt fast zwei Wochen lang nichts und auf einmal diese Postkarte da … aus Frankreich … zweifelsfrei von ihr geschrieben … mit Rechtschreibfehlern und einem den Eltern unsinnig erscheinenden Text … und ihre Verwandtschaft in der Schweiz hat sie auch nicht besucht, wie es sich gehört hätte … so ein böses Mädchen aber auch«, er sah auffordernd in die Runde, »na! Fällt euch dazu nichts ein? Also für mich liegt es durchaus im Bereich des Möglichen, dass es da Zoff gab und sie sich deshalb für einige Zeit nicht von unterwegs gemeldet hat und dann so ein böses Kärtchen schreibt. Vielleicht ist die Karte ja eine Art Botschaft, so nach dem Motto: Ihr könnt mich mal . Das ist doch nicht völlig abwegig, oder?«
    Nein, das war nicht abwegig, dachte Bucher. Er suchte Unterstützung bei Lara Saiter, die ihre Hände gefaltet an die Nasenspitze gelegt hatte. Sie sah in einen fernen Raum und dachte nach.
    Hartmann hakte nach. »Diese Variante mit dem Streit, die habt ihr also nicht explizit abgefragt, oder?«
    Bucher bestätigte nochmals.
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