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Marienplatz de Compostela (German Edition)

Marienplatz de Compostela (German Edition)

Titel: Marienplatz de Compostela (German Edition)
Autoren: J.M. Soedher
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doch ganz andere Möglichkeiten, Mensch! Du könntest im ersten Stock einer Villa am Starnberger See sitzen, den Blick aus Kreuzrahmenfenstern hinaus in die oberbayerische Weite gerichtet, die nur von wildromantischen Bergketten begrenzt ist. Vor oder hinter dir stünde eine Couch von Rolf Benz oder lignet roset , und auf selbiger läge ein Wirtschaftsführer, Politiker, Künstler, oder sonst ein so psychisch kranker wie solventer Mensch; dieser würde dir davon berichten, welche Nöte es in ihm entfacht, anderen Menschen überlegen zu sein, ihnen dennoch die Hand reichen zu müssen, weil es sich so gehörte, und wie furchtbar es für ihn war, als Kind immer nur grüne Lutscher bekommen zu haben, wo es doch rote oder orangene hätten sein sollen, weil diese Farben ihm schon damals besser gestanden hätten – der Dominanz wegen. Viele solcher und andere vergleichbare Leiden könntest du heilen. Ja! Du siehst mich fragend an? Natürlich geht das. Ganz einfach. Sogar ich weiß, wie man da verführe. Du könntest zum Beispiel auf ein frühkindliches, traumatisches Frühkindtrauma hinweisen und dessen sexuelle Bedeutung für das Leben vor Augen führen; könntest sagen, dass er unbedingt mit der blonden Russin weitervögeln muss, weil ihn dies letztendlich«, Bucher hob mahnend den Finger, »das Wort letztendlich ist wichtig, weil es zum einen auf den Patienten oder Mandanten nicht zu heftigen Druck ausübt, dir andererseits Zeit gibt weiterhin Rechnungen zu schreiben. Also – die Russin und so, sie wird ihn letztendlich zur Einsicht, zur Katharsis leiten –, und einen Tag später schreibst du eben jene Rechnung mit einem angemessen hohen Eurobetrag, bevor du dich endlich auf deiner Segeljacht entspannen kannst, die von lauen Winden über einen der Seen hier in der Gegend getragen wird. Deine Kinder studierten derweil weit weg, in Montpellier oder London, deine Frau wäre mit Freundinnen beim Trommeln in der Toskana und du könntest mit dieser Filmstudentin die oberbayerische Natur genießen. Ja, das alles wäre denkbar, Friedemann. Stattdessen sitzt du hier an abgeschabten Büromöbeln, beginnst damit, den stummen Anordnungen von Pfeilen, Kreisen und Vierecken zu folgen und hast den Blick auf eine lärmende Müllhalde namens Innenhof. Es ist schrecklich.«
    »Daktyloskopisch schon gesichert?«, fragte Beck nüchtern. Buchers Ausführungen bereiteten ihm innerlich große Freude.
    »Nein, das bringt uns nichts. Das Ding ist voll mit Daktspuren. Aber wir werden unter der Briefmarke nachsehen und die Flecken im Papier analysieren lassen. Was den Poststempel angeht, haben wir bereits Kopien gefertigt. Hochauflösende Scans. Das Ding scheint echt zu sein.«
    »Ich kann das Original also behalten?«
    »Kannst du.«
    »Mündliche Auskunft an euch, was das Ergebnis angeht, und ich gebe das Zeug dann an die Waschmittelabteilung weiter?«
    »Rrrichtig, an die Chemiker. Die sind bereits informiert und beschaffen gerade die Formel des Briefmarkenklebers. Ich vermute, es handelt sich um die alte Variante, du weißt schon – Zunge. Das wäre natürlich ganz ideal für DNS .«
    Bucher war schon auf dem Weg zur Tür, da rief ihm Friedemann laut nach: »Vergiss die Verabschiedung vom Dottore Voolcke nicht, ja! Du warst ja auch einer von seinen Patienten. Wir zählen auf dich! Und Stammtisch ist demnächst auch wieder, falls du dich daran erinnerst! Warst schon eine Ewigkeit nicht mehr da! Die Kohle für das Abschiedsgeschenk treibt übrigens unsere Ayurveda-Queen ein, da gibt’s kein Entrinnen!«
    *
    Zurück im Büro bearbeitete und ergänzte Bucher den Datensatz Anne Blohm. Eine beinahe rituelle Tätigkeit, die keine besondere intellektuelle Energie erforderte; eher so wie Bügeln, Unkraut jäten, Fenster streichen oder Auto waschen.
    Es war für ihn insofern ein bedeutsames Tun, weil er dabei über die jeweiligen Sachverhalte ganz unbewusst reflektierte, nach Fehlern, nach Mustern, nach Schnittstellen oder nach bisher Unterlassenem suchte.
    Das Telefon klingelte und riss ihn aus der Konzentration. Weiss war dran und wollte wissen, ob er kurz vorbeischauen konnte.
    Er konnte.
    Bucher holte die anderen zusammen. Weiss knurrte ihnen einen Gruß entgegen und nahm nur Laras Hand, die er lange hielt und gespielt ernst fragte: »Na, Mädchen, sind sie gut zu dir?«
    Sie lachte. Niemand hätte sich trauen können Lara Saiter mit Mädchen anzusprechen. Niemand. Einzig Weiss durfte sich das erlauben.
    Er wurde schnell wieder dienstlich,
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